Montag, 20. Mai 2013

Verwirrung



Mein Gott, ich fliege diese Woche, diesen Freitag, nach Hause. Momentan ist mir das wieder gar nicht bewusst, letzten Mittwoch bis Freitag habe ich es verstanden und daher hauptsächlich geweint. Jetzt besteht gerade wieder große Freude auf zu Hause – was esse ich zuerst? Vollkornbrot, Hackfleisch, Spinat, Quark, Döner? Deutsches Essen ist absolut genial. Viel mehr noch freue ich mich natürlich auf meine Familie und meine Freunde, wie lange ich alle so schmerzhaft vermisst habe, der Gedanke euch so bald wiederzusehen kommt mir zu schön vor, um wahr zu sein. So oft habe ich mir vorgestellt, wie mein Tag der Heimkunft wird und jetzt ist er bald da – nur verstehe ich das nicht.
Wenn ich es verstehe, dann bin ich wirklich traurig. Was ich hier aus Togo mitnehme, beziehungsweise hinter mir lasse, ist mehr, als ich je gedacht hätte. Manch einer mag es übertrieben finden, aber im Prinzip habe ich jetzt so etwas wie eine „Tochter“. Meine kleine Irene. Jeden einzelnen Tag werde ich mich um sie sorgen, mich fragen, ob es ihr gut geht, man sich um sie kümmert und ob sie zu Recht kommt. Das Problem ist, dass man hier niemandem trauen kann, nicht mal den Mitarbeitern der Organisation und das ist mein Hauptproblem, weshalb ich mich so schwer tue, ruhigen Gewissens von hier zu gehen, obwohl alles bestmöglich geregelt ist. Ich bin gespannt, wie sich das alles entwickelt, ob das wirklich etwas „fürs Leben“ ist, und ich später vielleicht mal meinen Kindern Irene vorstelle oder ihnen zumindest davon erzähle, da es mir auch dann noch so wichtig wie momentan sein wird. Allerdings geht es nicht nur um Irene – wie werden meine Schüler sich machen? Schaffen alle das Abitur, was schlagen sie für Wege ein, nehmen sie ihr Leben in die Hand und probieren aus der bitteren Armut hier herauszukommen, beziehungsweise – so hart das ist, hier aber wirklich notwendig zu fragen – geht es ihnen noch gut oder ist etwas Schlimmes passiert?
Überhaupt – Togo, gehört das jetzt immer zu meinem Leben? Geplant ist, dass ich in den Semesterferien herkomme und auch sonst kann ich mir nicht vorstellen, dieses Kapitel einfach zu streichen. Es ist eben was ganz anderes als mein damaliger Austausch nach Australien, hier sind solche tiefen Verbindungen entstanden, die einen nicht loslassen. Außerdem werde ich mich von Deutschland aus für den Bau einer Internatsschule für behinderte und benachteiligte Kinder einsetzen.
Ja, ich glaube, dass Togo jetzt ein fester Bestandteil meines Lebens ist und bis zum Ende bleibt. Zumindest hoffe ich es, dass ich niemals vergesse, wie wichtig mir das alles war und ich meine Ziele hierfür nicht aus den Augen verliere.
Ich hoffe, ich kann euch einigermaßen vermitteln, in welch einem Dilemma ich mich befinde. Ich muss ehrlich zugeben, so etwas in meinem Leben noch nicht durchgemacht zu haben, aber auch das werde ich wohl irgendwie geregelt kriegen. Ich denke einfach an all die schönen Menschen und Dinge, die mich zuhause schon erwarten. Bis ganz bald im eisig kalten Deutschland – 10 Grad und Regen als Vorhersage, Ende Mai?! Das kann doch keiner ernst meinen!

Donnerstag, 16. Mai 2013

Alle guten Dinge sind drei

Heute war ich erneut im Krankenhaus, die Malaria ist zwar weg und das Ohr auch schon besser, allerdings habe ich jetzt ein paar Pilze im Bauch. Auf die letzten Tage nehme ich hier wohl alles mit was geht! Aber auch die werde ich wohl hoffentlich loswerden und nicht als Souvenir mit nach Deutschland nehmen ;-)
Was etwas wirkliches Erfreuliches ist, dass ich heute zum letzten Mal mit der Hand gewaschen habe, juhu! Das ist eines der wenigen Dinge, die mir wohl wirklich gar nicht fehlen werden, Waschmaschine, ich erwarte dich sehnlichst!
Achso, eben haben wir wohl das interessanteste Pärchen überhaupt kennengelernt. Zwei super sympathische Australier aus dem wunderschönen Melbourne, die nach Europa geflogen sind, sich in Deutschland einen dicken Jeep gekauft und - aufgepasst - mit besagtem Auto bis hier her nach Togo gefahren sind und "je nach Lust und Laune" vermutlich noch bis nach Tanzania weiterziehen. Ist das nicht verrückt? Ich hoffe, ich bin auch so interssant als Rentnerin!
So, nun muss ich weiter kleine Tütchen mit Keksen, Armbändern und Fotos für meine Lieblingsklasse packen, die ich morgen wirklich zum letzten Mal sehen werde... Taschentücher liegen schon bereit. Einfach nur traurig!!

Dienstag, 14. Mai 2013

Und weiter geht's

Auf die letzten Meter scheint es mich dann doch noch einmal erwischen zu wollen! Die Malaria ist jtezt hoffentlich weg, am Donnerstag werde ich vorsichtshalber noch einen erneuten Test zur Sicherheit machen, allerdings hat mich jetzt eine Entzündung im äußeren Gehörgang heimgesucht - fragt mich nicht, wie man sich sowas einfängt! Jedenfalls war ich heute beim überraschend guten Ohrenarzt im großen Krankenhaus, der mir gefühlt einmal den gesamten atlantischen Ozean durchs Ohr gejagt hat und Antibiotika verschrieben hat, damit dürfte es dann hoffentlich gehen.
Abgesehen davon ist alles beim Alten, in mir, Gefühlschaos hoch zehn, außerhalb der normale togolesische Chaos-Alltag. Morgen hat Irene ihre erste Prüfung für die mittlere Reife, Sportexamen. Da darf die "Mama" natürlich nicht zum Anfeuern fehlen. Außerdem will mich ihr Schulleiter kennenlernen und über ihre neue Lebenssituation reden.
Wow... in 10 Tagen fliege ich einfach nach Hause. Ob mir das bewusst ist? Keineswegs. Heute bin ich zum letzten Mal eine Strecke hier gefahren, kurz habe ich begriffen was los ist, und direkt geweint. Ich freue mich die meiste Zeit extrem auf Deutschland, euch alle wiederzusehen, aber wenn ich es dann schaffe, für einen kurzen Moment zu realisieren, dass ich hier bald weg bin, wird mir ganz anders. Jetzt gerade realisiere ich es wieder überhaupt nicht, ich denke, ich werde noch ewig über diesen Blog meine Neuigkeiten zu euch kommen lassen, dabei ist das schon jetzt einer meiner letzten Posts. Ich hoffe einfach, dass dir wirklich große Krise erst in Deutschland kommt und ich so meine letzten Tage hier noch genießen kann. In diesem Sinne, euch allen eine gute Nacht.

Sonntag, 12. Mai 2013

Tanzauftritte

So, hier mal zwei Videos, damit ihr euch einen Eindruck von mir und meiner Tanzgruppe verschaffen könnt :-)
Beide Videos stammen vom gestrigen Bob Marley Festival

Mittwoch, 8. Mai 2013

Malaria

Es hätte wirklich nicht sein müssen, aber auf den letzten Metern hier in Togo hat mich die Malaria dann doch noch erwischt.
Nachdem es mir seit einigen Tagen nicht so gut ging(leichtes Fieber,Durchfall,Müdigkeit) und heute morgen noch Erbrechen dazu kam, war ich im Krankenhaus um ein paar Tests zu machen, eigentlich dachte ich, meine Amöbenfreunde im Bauch sind zurück aber leider hat mir Lisa soeben einen positiven und leider recht starken Malariatest mitgebracht. Verdamt!! :-( Macht euch keine Sorgen, ich habe noch ein Medikament aus Deutschland dabei, wovon ich mir jetzt nette 12 Pillen einschmeißen darf, meiner Krise hier ist eher mental, da ich fast schon stolz war, hier so gesund durchzukommen und in meinen letzten zwei Wochen hätte das jetzt wirklich nicht sein müssen. Abgesehen davon darf ich jetzt ewig kein Blut spenden, was mir immer wichtig war.
Also sind jetzt wohl ein paar Tage im Bett angesagt, allein schon wegen der Nebenwirkungen die das starke Malarone mit sich bringt. So habe ich mir meine kostbare letzte Zeit hier nicht vorgestellt! Aber hey - das wird schon.

Sonntag, 5. Mai 2013

Zweites Spektakel

Gestern hatten wir unseren zweiten Auftritt, dieses mal zuhause in Kpalimé. Anlässlich der Eröffnung der Positive Reggae Bar wurden wir eingeladen wieder zu zeigen, was die Weißen so drauf haben.
Schon morgens haben wir wieder eine Karavane durch die Stadt gemacht, dieses mal angenehmerweise auf Motos und mit Tüchern als Plakatwerbung - klasse, die togolesische Art und Weise Werbung zu machen und Aufmerksamkeit zu erregen, eine Schlange laut hupender Motos mit einem Auto voller Trommler hinterher.
Abends haben wir dann - leider direkt nach einer absolut fantastischen "richtig" afrikanischen Gruppe getanzt. Wir alle fanden uns ziemlich schlecht, das Publikum ist allerdings total aufgeflippt, da es eine Sensation ist die Weißen tanzen zu sehen und das alle ganz toll finden. Insgesamt wieder ein super Tag und eine einmalige Erfahrung die ich nicht vergessen werde :-) Love Africa!





Donnerstag, 2. Mai 2013

Irenes Zukunft

Zunächst einmal: Ganz Togo ist im Bayernfieber! Was ein Spiel gestern, hier ging es fast so rund wie bei den Togospielen im Afrikacup. Schön, dass das Finale am Tag ist, an dem ich heimkomme - so oder so wird da feiertechnisch einiges los sein ;-)
Nun aber zu den wichtigen Dingen: Da sich meine Abreise wirklich mit riesigen Schritten nähert, wird es Zeit hier alles in die Wege zu leiten, dass Irenes Zukunft einigemaßen abgesichert ist. Die ganze Zeit bestand die Frage, wo sie dauerhaft wohnen wird, wie die Geldversorgung gesichert wird ... Georges ist seit Montag zurück von seiner Deutschlandreise und gestern haben wir uns zusammen gesetzt. Leider kommt Irene mit dem Mädchen, mit dem sie momentan zusammen wohnt(Cheritah) nicht so gut aus wie erhofft, was leider nicht zuletzt ihr eigenes Verschulden ist, da sie sozusagen alles probiert, um ihren inneren Wunsch alleine oder mit Lisa/mir zusammenzuwohnen durchzusetzen und hat deswegen recht unfaire Methoden eingesetzt, die dafür gesorgt haben, dass Cheritah sie jetzt nicht mehr all zu gerne mag. Ob das ein wirklich dankbares Verhalten ist, nach all dem was wir für sie getan haben, ist fraglich, aber das zeigt wieder einmal ihre Unreife. Die ist auch genau der Grund, warum es für mich ausgeschlossen ist, dass sie jetzt alleine wohnt(abgesehen davon, dass es illegal wäre!), denn wenn sie es nicht mal schafft, ihre Medikamente regelmäßig zu nehmen, nachdem man es ihr gesagt und aufgeschrieben hat, bezweifle ich stark, dass sie sich komplett selbst organisieren kann. Auch wenn man sieht, dass sie anfängt wenigstens ein bisschen selbstständig zu werden, schließlich hat sie mit Cheritah über die Dinge gesprochen, die sie stören - leider auf eine etwas unglückliche Art und Weise, aber immerhin traut sie sich langsam, sich auszudrücken, denn das bleibt nach wie vor ein immenses Problem.
Bis August wird sie jetzt bei Cheritah bleiben, eins der "großen" Probleme, dass sie dort nicht in Ruhe für den Abschluss lernen kann, haben wir so gelöst, dass sie jetzt immer zu Georges, der sehr nahe wohnt, gehen kann, und wir ihr dort eine Tafel stellen. Im Juli bereits, wenn Lisa noch da ist, wird ihr ein neues, größeres Zimmer gesucht, in das sie mit einem Mädchen, welches sie bereits kennt und wirklich mag, zusammenziehen wird. Bis Februar/März bleibt das die Wohnsituation, wenn ich dann zurückkomme(ja, das ist fest geplant :-)) und ich sehe, dass sie wirklich selbstständiger geworden ist, bin ich sofort bereit, anlässlich ihres 18. Geburtstages im April eine eigene Bleibe für sie zu suchen.
Bezüglich des Geldes, was ihr mir alle zugesandt habt - noch einmal ein riesiges DANKE - werden wir am Dienstag ein Konto auf ihren Namen, mit Roger als 2. Inhaber eröffnen. Ich werde alles darauf überweisen und bis mindestens August wird es jetzt Roger sein, der ihr wöchentlich das Geld geben wird, da sie keineswegs damit umgehen könnte, und ich befürchte, dass innerhalb von wenigen Monaten das Geld, was mindestens ein Jahr reichen kann, für unsinnige Dinge aus dem Fenster geschmissen würde.

Montag, 29. April 2013

Nutsifafa goes Atakpamé



Nutsifafa ist Ewe und bedeutet „Friede“ – und ist gleichzeitig der Name meiner Tanz-und Trommelgruppe hier in Togo.
Dieses Wochenende hatten wir unseren ersten Auftritt, oder Spektakel, wie man hier sagt(etwas seltsame Wortwahl..). Damit ging es wieder auf die Horrorstraße nach Atakpamé. Freitagabend angekommen wurden wir schon herzlich von der dortigen Gruppe erwartet, mit denen wir zusammen den Auftritt organisiert haben, abgesehen von köstlichem Essen haben sie uns ebenfalls einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt.
Samstagmorgen ging es los mit einer Parade durch die Stadt, denn am Samstag war ebenfalls der Unabhängigkeitstag Togos, mit unserer Show vor dem Bürgermeister haben wir es sogar in das togolesische Fernsehen geschafft. Nunja, das „Durch die Straßen ziehen“ hat Früchte getragen und unser Auftritt war gut besucht – zu Recht! Trotz Krankheiten und diversen Zoffereien, die nur ein Haufen weißer Mädchen kreieren kann, haben wir richtig gut getanzt und die Leute super unterhalten. Dazu noch unser Schlangenmensch, der kreativerweise „Snake“ heißt und sich ungefähr alle Gelenke auskugeln  oder auch mit seinen Armen Seilspringen kann und die Show ist perfekt. Die Bilder und Videos kommen sofort, wenn ich sie von den anderen bekommen habe!
Gleichzeitig habe ich die Reise dorthin genutzt, um auch noch einmal bei Irenes Familie vorbeizuschauen, die hocherfreut über den Überraschungsbesuch waren. Ich hoffe, ich konnte ihrer Mutter damit noch einmal Vertrauen für mich und mein Handeln geben. Irene ist nebenbei schon wieder krank, dieses Mal ist es ein Abszess im Gesicht, der im Krankenhaus auf sehr grobe Weise aufgeschnitten wurde, jedoch müssten wir jetzt mit Antibiotika alles im Griff haben. Hier hat sich aber wieder gezeigt, dass Irene ohne meine Anwesenheit kaum zu etwas fähig ist, Lisa war nämlich mit ihr im Krankenhaus, da ich wie gesagt noch auf Reise war, und damit ist sie nicht klargekommen und ist ohne mich auch nicht zur benötigten zweiten Behandlung gegangen. Wieder frage ich mich, wie das alles funktionieren soll, wenn ich weg bin. Sie muss verstehen, dass sie jetzt selbst Verantwortung trägt und eben kein Kind mehr sein kann – aber das muss man einem Mädchen, was eingeschüchtert wie eine Maus ist, erst einmal beibringen.
Das dürften die Neuigkeiten für den Moment sein, es gab zwar wieder ein paar Horrorgeschichten, aber die erspare ich euch und mir sie abzutippen, das mag man einfach schnell vergessen. Denken wir lieber daran, dass am Mittwoch der 1. Mai ist – ja, der wird auch hier gefeiert. Wie genau, das weiß man nicht, ich bin jedenfalls an eine Schule zum Lehreressen eingeladen. Alles Weitere sieht man dann! Bis dahin, alles Liebe.

Montag, 22. April 2013

Zurück in die Schule

Gestern Abend kam der Bericht, dass ab heute der Unterricht wiederaufgenommen wird. Die Schule, an der ich montags bin, ist allerdings geschlossen - eine Art Gedenktag für die getöteten Schüler.
Auch  von anderen Schulen haben wir bereits gehört, dass sie mittags wieder geschlossen werden, morgen soll es allerdings weitergehen.
Ja, eigentlich ist es gut, dass es wieder Unterricht gibt, da somit die Hoffnung auf erfolgreiche Examen steigt - jedoch ist die Frage, ob damit wirklich etwas besser wird. Immer noch gibt es keine neue Regelung für die Bezahlung der Lehrer, das heißt, es wird wohl wieder Streiks geben und damit Demonstrationen und folglich eventuell auch wieder Schießereien und noch mehr tote Schüler, das will wirklich niemand hier. Das Ganze ist nach wie vor mit Vorsicht zu genießen.
Ansonsten gibt es nicht viel zu berichten, außer, dass mir nur noch ein Monat hier bleibt! Das sorgt für entsprechende Krisen bei Irene(und mir ...), die oft weint und mich fragt, wie es denn weitergehen soll, wenn ihre "Mama" jetzt bald fährt, sie hätte doch sonst niemanden. Ich probiere ihr dann zu erklären, dass es hier sehr wohl Menschen gibt, die sich um sie kümmern werden, dass es ihr doch jetzt besser geht als zuvor in der Gastfamilie... Es ist wirklich zerschmetternd, wenn sie kurz zeigt, wie es ihr wirklich geht. Den Togolesen wird immer eingeredet, stark zu sein, keine Schwäche zuzulassen, und daher sieht man nur selten, wie es wirklich in den Menschen hier aussieht, aber wenn es rauskommt, ist es heftig. Ich bin momentan der einzige Mensch, dem sie sich wirklich öffnet, selbst bei Lisa klappt es nicht. Ich hoffe, dass sich das noch regelt, bis ich fahre, da ich nicht will, dass sie ihren Kummer in sich reinfrisst. In der Zwischenzeit probiere ich weiter zu verdrängen, dass ich bald wieder weg bin aus dem togolesischen Leben ... Ich war wirklich selten in meinem Leben so zwiegespalten.

Mittwoch, 17. April 2013

Die Situation verschärft sich

Nachdem ich euch gestern über eine tote Schülerin erzählt habe, sind wir heute schon bei 4. Zwei weitere in Atakpamé und ein Schüler in Lomé, in Kpalimé ist bis jetzt noch nichts derartig Grausames passiert.
Die Schüler hier haben ein Rückgrat und demonstrieren für ihr Recht auf Unterricht - davon bin ich begeistert! Denn oft ist den Togolesen anscheinend völlig egal, wie die Zukunft ihres Lebens und ihres Landes aussehen soll. Doch wie die Polizei hier eingreift ist verstörend: Es wird wahllos in die Mengen geschossen, einfach um alle abzuschrecken und die Leute von ihrem guten Recht wegzuhalten.
Sogar wurde jetzt fast in jede Schule ein Polizist gesetzt, der kontrolliert, dass auch bloß kein Unterricht gemacht wird, damit die Schüler zerschlagen werden und sich nicht versammeln.
Wir sitzen hier relativ ratlos und schockiert, informieren uns über Facebook über die neusten Geschehnisse(Ausstrahlungen im Fernsehen oder Radio sind alle vom Staat gelenkt) und hoffen, dass sich die Lage bald beruhigt und eine friedliche Lösung gefunden wird. Was hier passieren wird, wenn die Schießereien in Kpalimé losgehen mag ich mir beim besten Willen nicht vorstellen!

Dienstag, 16. April 2013

Der Streik geht weiter

Nachdem ich euch letzte Woche davon berichtet hatte, dass es seit den Osterferien öfter mal Streiks gibt, hat es gestern Abend in Lomé eine folgenschwere Entscheidung gegeben.
Irgendein Ministerium hat entschieden, dass bis es eine neue Regelung gibt, wie die Bezahlung der Lehrer wird, alle Schulen in Togo geschlossen bleiben. ALLE Schulen, von Norden bis Süden und vor allem auch die Privatschulen. Damit sind die meisten Freiwilligen jetzt erst einmal arbeitslos. Wie lange das Ganze dauern soll, weiß kein Mensch - es kann eine Woche aber auch einen Monat dauern.
Was wirklich tragisch ist, ist, dass die Hauptleidtragenden die Schüler sind, vor allem eben solche wie Irene, die jetzt vor den Abschlussprüfungen stehen. Es steht sogar im Raum, dass, wie in den 90ern einmal, "Togo blanche" gemacht wird - sprich, kein einziger Schüler geht durch die Prüfungen und alle müssen das Jahr wiederholen.
Nunja, jetzt heißt es wieder andere Beschäftigung suchen. Lisa und ich gehen heute Mittag ins Waisenhaus, verteilen die Klamotten und Spielzeuge die noch übrig sind und, sollte es wesentlich lange dauern, machen wir vielleicht doch noch einmal eine Reise. Aber hoffen wir zuerst, dass nächste Woche wieder Unterricht ist!!
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Nachträglich hinzugefügt:
Wie wir schockierenderweise heute Nachmittag erfahren mussten, ist im Norden, genau genommen in Dapaong, gestern Abend ein 12 jähriges Mädchen im Zusammenhang mit den Streiks erschossen worden. Einige der streikenden Menschen haben in dieser Stadt das Büro der Gendarmerie abgebrannte, welche daraufhin völlig wahrlos in die Menge geschossen und letztendlich eine 12 jährige Schülerin getroffen haben. Wir sind absolut sprachlos, genauso wie die gesamte Bevölkerung.

Freitag, 12. April 2013

Noch ein kleiner Streich



Die gute alte Gastmutter wollte uns noch einmal einen kleinen Streich spielen, wir haben uns auch schon gewundert, dass alles auf einmal so ruhig abgelaufen ist.
Die Freiwillige, die vor mir in der Familie war, hat ein Paket an die Gastmutter geschickt, wo auch etwas für Georges, Roger und auch Irene enthalten war. Wie zu erwarten, hat sie nur die Teile für Georges und Roger weitergegeben, Irenes Part wurde einbehalten. Da sie mir aber vorher geschrieben hatte, wusste ich genau Bescheid und auf einen Anruf hin hat sie die Gastmutter darum gebeten, Irenes Teile bitte an Roger oder Georges zu geben, damit Irene nicht noch einmal zurück in dieses Haus muss. Es war klar, dass sie das natürlich nicht so macht, sondern Irene heute Morgen in der Schule aufgesucht hat, welche danach völlig aufgelöst zu mir kam, da so alles wieder in ihr hochgekommen ist. Auch, weil man ihr gestern gesagt hat, dass Fabiola, meine ehemalige Gastschwester, im alten Quartier rumerzählt, Irene wäre jetzt völlig verwahrlost, alleine und am hungern, ich wäre schon zurück in Deutschland, jetzt hätte sie niemanden und müsste noch mehr leiden als vorher – völliger Quatsch eben. Da muss man einfach drüber stehen, was in Afrika aber ziemlich schwierig ist, da hier mehr geschwätzt wird als in deutschen Dörfer und das den Leuten hier wirklich etwas ausmacht.
Jedenfalls hat die Gastmutter Irene heute dazu aufgefordert, mittags vorbeizukommen und die Sachen abzuholen. Die Kleine hat erstaunlich schlau reagiert und sich auf keinen festen Termin eingelassen, sondern gesagt, sie kommt, wenn sie Zeit hat und wann wüsste sie momentan nicht genau. Das hat der Gastmutter natürlich gar nicht geschmeckt, da sie schon wieder irgendetwas ausheckt und Irene bloß nach Hause locken will, am besten noch mit mir im Gepäck. Darauf lassen wir uns natürlich nicht ein, denn wie wir gelernt haben, schreckt diese Frau vor nichts zurück. Daher gehen wir jetzt direkt zur Polizei, die bekanntlich auf dem Laufenden der Geschehnisse in der Vergangenheit ist, und lassen es so regeln, dass die Gastmutter alles direkt dort hinbringen muss. Gut, dass ich auch eine detaillierte Liste der Sachen habe, die für Irene sind – wenn auch nur eine Sache fehlt, wird die Polizei wohl alles andere regeln. Damit sind wir aus dem Schneider, keiner Gefahr ausgesetzt und die Gastmutter versteht hoffentlich endgültig, dass wir uns nicht tricksen lassen. Traurig, dass  das Spiel wohl immer noch weiter geht. Ich hoffe, dass Irene mental stark bleibt, da sie das alles, vor allem auch die Erzählungen des Mädchens aus dem alten Quartier, ziemlich herunter gezogen haben.
Ansonsten gibt es, um ehrlich zu sein, nicht viel zu berichten. Man lebt den togolesischen Alltag, ich hatte wieder zwei Tage frei, da der Streik weitergeht und damit keine Schüler auftauchen und ansonsten bleibt nur zu sagen, dass ich heute in sechs Wochen schon heim fliege! Mein Gott.. Die Zeit rast und ich bin im riesigen Zwiespalt zwischen Vorfreude auf Zuhause und Trauer, dass ich mein neues Leben hier schon wieder verlasse. Es ist wirklich der Wahnsinn, wie sehr man sich an das Leben hier gewöhnt hat – es ist jetzt einfach normal hier zu sein, man kennt alles, weiß, wie die Dinge ablaufen. Aber bald ist das schon wieder vorbei… Ich sollte jeden Tag voll nutzen!

Sonntag, 7. April 2013

Meine Zeit mit Papa



Schnell ging sie rum, die Zeit mit meinem Papa. Heute nach dem Mittagessen fahren wir runter nach Lomé, wovon aus er heute Abend zurück nach Hause fliegt. Mit im Gepäck viele schöne Eindrücke aus Ghana und Togo, aber natürlich auch ein paar nicht so Schöne. Insgesamt war es für mich aber absolut klasse, dass mein Papa es hier her geschafft hat! :-) Das hat mir wirklich sehr viel bedeutet und ich bin dankbar darüber, nicht zuletzt weil einem der Papa eben auch fehlt.
Von Ghana hatte ich euch ja schon berichtet, hier in Togo ging es mir hauptsächlich darum, meinem Vater meine Arbeit hier zu zeigen – schade, dass an drei Tagen gestreikt wurde(landesweit!) und ich deswegen kaum Unterricht hatte. Trotzdem hat mein Papa zwei meiner Schulen gesehen und war auch mit beim Kindernachmittag. Außerdem war er donnerstags mit beim Tanztraining, wo es aufgrund von vieler Eltern und sonstiger Zuschauer schon eine Art „Minispektakel“ als Vorgeschmack auf unsere baldigen Auftritte gab. Natürlich durfte auch ein Ausflug zu einem Wasserfall sowie der Markt nicht fehlen, allerdings wird der Grand Marché von Lomé heute noch mal ein ganz anderes Erlebnis. Auch ein paar Krankenhausbesuche haben wir nicht ausgelassen, da es mich jetzt auch mal erwischt hat. Ich habe ein paar nette Einzellerparasiten im Magen, keine Sorge ihr Lieben, das ist leicht in den Griff zu kriegen! Nur musste ich von dem „guten“ Arzt, bei dem Lisa war(sie hat sich einfach unfassbarerweise Mumps eingefangen!!!) erfahren, dass man mir irgendwelche Medikamente aus einer chinesischen Fabrik verschrieben hat, die mir niemals helfen werden, das einzige was ich bis jetzt gemerkt habe, ist eine Geschmacksveränderung, weshalb ich die ganze Zeit denke, auf einem Stück Metall rumzukauen. Ihr Arzt, der in Europa studiert hat, und sich daher etwas besser mit unserem anderen System auskennt, hat mir dann noch was anderes verschrieben, was ich ab heute nehme. Irgendwie wäre der Aufenthalt hier ohne auch nur eine Kleinigkeit auch nicht komplett gewesen ;-)
Für mich ebenfalls sehr wichtig war auch, dass mein Papa Irene kennen lernt, was ganz wunderbar geklappt hat. Am Freitag war ihr Geburtstag, anlässlich dessen waren wir beim Belgier essen und haben uns gestern Morgen ein tolles Frühstück mit bestellten Schokocroissants für weniger als 50 Cent das Stück gegönnt. Wirklich herzzerreißend war es gestern, als ich Irene erklärt habe, dass mein Papa heute fährt. Sie hatte – warum weiß keiner – gedacht, dass mein Papa mit mir bis Ende Mai bleibt und für sie ist in dem Moment eine Welt zusammengebrochen. Sie hat bitterlich geweint, und mir erklärt, dass es für sie mit meinem Papa nach wenigen Tagen schon so vertraut war und es für sie war, als würde sie mit ihrem eigenen Vater diskutieren. Als wir probiert haben ihr zu erklären, dass es wichtig ist, dass mein Vater wieder heimfährt um Geld zu verdienen, er aber genau wie ich wiederkommen wird und sie außerdem per Skype und Email problemlos Kontakt halten können, dachten wir eigentlich sie wäre beruhigt. An der Eingangstür jedoch hat sie auf einmal ganz laucht geschluchzt und nur gemeint: „Hannah, ich will auch wieder einen Papa haben!“ Ich kann es euch sagen, so was reißt einem den Boden unter den Füßen weg. Wie soll man erklären, worin der Sinn dahinter steckt, dass ihr Vater schon so früh gestorben ist?
Gleich kommt sie noch mal vorbei, um sich dann endgültig zu verabschieden. Jetzt mag sich kein Mensch vorstellen, was passiert, wenn ich gehe …
Aber bis dahin bleibt ja wenigstens noch ein bisschen Zeit, weshalb ich mich dann morgen auch wieder auf der Visumsstelle herumschlagen darf… Drückt mir die Daumen dafür! Und dafür, dass Strom und Wasser mal wiederkomme, die uns beide seit mehr als 12 Stunden verlassen haben - zum Abschluss noch mal die richtige Togoerfahrung für meinen Papa, da scheuen die Strom- und Wasserfirmen hier keine Mühen ;-)

Dienstag, 2. April 2013

Ghana


Ich. Liebe. Ghana !!!
Mein Papa und ich sind jetzt züruck in Togo, aber wie gerne wäre ich noch länger in Ghana geblieben.
Nachdem es am Grenzübergang mal wieder eher hektisch  zuging und es kein Mensch fassen konnte, dass mein Vater und ich unterschiedliche Staatsangehörigkeiten haben, sind wir in einem jeep-ähnlichen Ford der irgendwann mal in Florida war, nach Accra gefahren. Leider kamen wir zu spät an, um wie geplant direkt weiter nach Cape Coast zu fahren, wir haben aber ein schönes Hotel gefunden und uns damit einfach etwas Stress genommen. Ich hatte schon einen mittelschweren Kulturschock, da Accra locker eine europäische Stadt sein könnte, aber dazu später mehr.
Am nächsten Tag ging es dann mit dem klimatisierten(!) Bus weiter ins schöne Cape Coast, nach einem Mittagessen im Beach Front Restaurant haben wir uns das Cape Coast Castle, was sehr bedeutend für die Sklavengeschichte ist und sogar schon Besuch von den Obamas hatte, angeschaut und eine außerordentlich gute Führung gehabt.
Weiter ging es in den Kakum National Park, wo es 30m hohe Seilbrücken gibt, die wir allerdings nicht bestiegen haben da es dafür lächerlich hohe Eintrittspreise und große schreiende ghanaische Schulgruppen, die jegliche Tiere die man hätte sehen können, weggescheucht hatten. Wir haben uns lieber für eine 2-stündige Wanderung mit einem Guide, der wiederum schon Bill Clinton getroffen hatte(amerikanische Präsidenten scheinen Ghana sehr zu mögen) und uns sehr interessante Dinge über die Bäume und Lebewesen erzählen konnte. Auf dem Rückweg haben wir in einem „Waisenhaus“ für Affen vorbeigeschaut, wo es wirklich viele unfassbar aufgedrehte Affen zu sehen gab, da traurigerweise freilebende Affen in Ghana geschossen werden – nicht selten, um sie zu essen. Guten Appetit!
Nachmittags ging es weiter an den absolut zauberhaften Brenu Beach, wo wir außer einem Strandspaziergang mal einfach gar nichts getan sondern die Seele haben baumeln lassen – das perfekte Getaway vom hektischen togolesischen Alltag.
Am nächsten Tag war das Elmina Castle dran, ebenfalls ein bedeutender Punkt für die Sklavengeschichte, allerdings mit einer wesentlich schlechteren Führung. Dennoch war es sehr interessant aber auch schockierend zu sehen, was für Geschichte hier geschrieben wurde.
Freitags ging es dann zurück nach Accra und in meinen persönlichen Himmel Westafrikas: das Holiday Inn am Flughafen. Da mein vielreisender Papa noch Punkte gut, und gute Hotels in Accra schwer zu finden sind, haben wir hier für zwei Nächte eingecheckt und ich damit zurück in der westlichen Zivilisation war: Pool, Fitnessstudio – was braucht man mehr?! Dazu noch ein riesiges Frühstücksbuffet und schon vergisst man alle Sorgen. Ja, wir sind auch mal raus aus dem Hotel, so ist das nicht ;-) Samstags haben wir uns das Nationalmuseum sowie einen Gedenkpark für den ersten ghanaischen Präsidenten angeschaut. Dabei haben wir sogar den letzten ghanaischen Präsidenten im Auto gesehen, der, beeindruckenderweise, Geld an seine Landsleute verteilt. Das ist in Togo völlig undenkbar.
Sonntags sind wir dann etwas in den Norden nach Hohoe ins zauberhafte „Geduld“ Hotel, was von einer Ghanaerin geleitet wird, die – alle Achtung – in Heidelberg BWL studiert hat. Ein wunderschönes ruhiges Fleckchen, direkt am Fuße des Wli Waterfalls, den wir Montag bestiegen haben. Ich hatte zwischenzeitlich Angst, dass mein Papa mit dem Helikopter wegen Atemnot ausgeflogen werden muss, aber letztendlich haben wir es in rekordverdächtigen 90 Minuten bis ganz nach oben geschafft. Und es war jeden Schritt wert. Dort oben waren zwar auch einige Leute, aber bedeutend weniger als am unteren Wasserfall an dem scheinbar halb Ghana den Ostermontag unter mächtigem Alkoholeinfluss und mit viel Lärm feierte.
Nicht weniger spektakulär war der Grenzübergang in der Walachei, den wir sogar zu Fuß absolviert haben. Kaum in Togo angekommen hat mein Vater dann aufgrund von Straßenverhältnissen und Personenzahl im Auto, den Unterschied zwischen Ghana und Togo sehen. Ich kann es euch sagen, man fährt nur einige Kilometer weiter und ist in einer anderen Welt. Zu sagen, dass Ghana wie Europa ist, ist natürlich etwas übertrieben, aber es ist Togo einfach Meilen voraus. Von perfekten Straßen landesweit, über vertrauensvolle Soldaten bis hin zu richtigen Supermärkten ist Ghana wirklich weit entwickelt und stabil, wenn auch neulich gefundene Ölquellen für Unruhen in der Zukunft sorgen könnten. Ich finde es wahrlich traurig, dass man bei so einer kleinen Entfernung solche Unterschiede sehen kann. Ich frage mich auch, was Togo einfach seit Ewigkeiten falsch macht und wie man das ändern kann – aber das liegt wohl außerhalb meines Könnens. Jedenfalls habe ich die Woche in Ghana zu 100 Prozent genossen, war aber gleichzeitig überglücklich,  wieder in meine Wahlheimat zu kommen. Vor allem, da mich ein neuer Mitbewohner erwartete: Darf ich vorstellen – Zulu! Lisa hat uns in meiner Abwesenheit einfach eine kleine süße Katze gekauft, worüber wir öfter mal nachgedacht, aber es nie wirklich ernst gemeint hatten. Es ist die wirklich süßeste, verspielteste aber auch lauteste und dreisteste Katze der Welt! Welcome to the family :-)

Brenu Beach

Elmina Castle

Beweisfoto ;-)

Wli Falls
Zuluuuu :) :) :)


Regenwald im Kakum National Park

Sonntag, 24. März 2013

Ferien!

Und schon sind die Osterferien da! Mal wieder erschreckend, wie die Zeit wegrennt.
Freitag bin ich völlig umsonst nach Lomé, um eigentlich mein Visum zu verlängern, was man mir aber leider nicht gegeben hat. Es wäre noch zwei Wochen gültig, daher ginge das nicht - komisch nur, dass das bei der letzten Verlängerung auch so geklappt hat. Und so ist man leider mal wieder der Willkür des togolesischen Systems ausgesetzt, allerdings wurde mir zugesichert, dass ich in zwei Wochen dann ja mit einem speziellen nur für mich ausgewählten 2-Monatsvisum(es gibt nur 1 oder 3 Monate normal) Geld sparen könnte - seien wir gespannt!
Gestern war dann wieder eine Situation, die mir gezeigt hat, wie sehr sich mein Verständnis oder eher Bewusstsein verschiedener ethnischer Gruppen geändert hat. Als ich herkam, war für mich weiß und schwarz wirklich das Gleiche, ich selbst hatte keine Vorurteile und dachte auch nicht, so extrem harte Erfahrungen zu machen. Nach allem was passiert ist habe ich es gestern tatsächlich nicht geschafft, bei einem Picknick einer meiner Schulen von dem Essen zu essen, was die Schüler durch eigenes Geld für alle zubereitet haben zu essen, da ich zu große Angst hatte, dass vielleicht irgendeiner unter ihnen sagen könnte "Warum ist denn die Weiße, die sowieso total reich ist, von unserem Essen wofür wir mühsam Geld zusamme gelegt haben?!" Das ist auch absolut unwahrscheinlich, aber so groß sind meine Ängste mittlerweile, ich selbst war einfach total schockiert darüber, denn ich dachte eigentlich, dass ich mit meinem Aufenthalt hier schwarz und weiß noch mehr zusammen bringen kann, irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass für mich eine riesige Kluft mit Berühungs- und Diskriminationsängsten entstanden ist.
Auch mit Irene ist es etwas schwierig im Moment, da sie einerseits relativ undankbar erscheint, da sie sich im Prinzip permanent nur über ihre neue Wohnsituation beschwert. Klar, natürlich ist es nicht leicht, mit einem völlig fremden Mädchen zusammen zu wohnen(die sich aber zuckersüß wie eine große Schwester um Irene kümmert!!) und auch ist dort kaum von Luxus zu sprechen. Aber jetzt ist sie frei und wird nicht mehr misshandelt. Irene will am liebsten bei mir und Lisa wohnen, da sie hier "verwöhnt" würde, aber das ist schlicht und ergreifend keine Lösung, da wir bald weg sind und dann stehen wir wieder vor dem gleichen Problem. Anstatt das so zu sehen, beschwert sich Irene nur über Hitze, Moskitos und schlechtes Wasser - nicht, dass es diese Phänomene überall in Togo gibt. Auch ist ihr der Umgang mit Geld in keinster Weise bekannt. Sie denkt nun, alles kaufen zu können, sozusagen von der Hölle ins Paradies, und vergisst dabei gewisse Grenzen und schmeißt das Geld aus dem Fenster. Wir haben jetzt schon mehrere ernste Gespräche mit ihr geführt und ich hoffe, dass sie jetzt langsam versteht, dass mit mir nicht der Reichtum in ihr Leben gekommen ist, sondern ich eine gute Basis für sie bilden und sie nicht verhätscheln will. Es ist verdammt hart, zu einem Mädchen, was so gelitten hat, jetzt streng zu sein!
Ja, das sind mal wieder drei eher negative Nachrichten aber all das ist jetzt erstmal im Hintergrund denn jetzt gleich geht es (schon wieder) nach Lomé und dann werde ich - es ist so unglaublich - meinen Papa vom Flughafen abholen!!!!!!!!! :-) :-) Wenn das kein Grund zur Freude ist. Morgen geht es dann direkt los nach Ghana, nächsten Montag sind wir zurück in Kpalimé. Bis dahin werdet ihr also nichts von mir hören, keine Sorgen, sondern seit gespannt auf meine Erzählungen von dem toll entwickelten Nachbarland - ich bin gespannt, ob ich dort schon einen Kulturschock kriege.
In diesem Sinne, euch allen ein schönes Osterfest.

Sonntag, 17. März 2013

Geburtstagwochenende

So, das war er mein 20. - aus und vorbei die Jugend!
Und ich muss sagen, man hat sich alle Mühe gegeben, damit ich bloß kein Heimweh kriege, vor allem natürlich meine liebe Lisa.
Los ging es am Freitag mit einem absolut umwerfenden Frühstück - Orangensaft und Omelette!! Naja, das Bild sagt euch genug ;-) Dazu gab es auch schon tolle Geschenke, wie ein neues Kleid, Holzarbeiten oder von meiner Mama eine tolle Konzertkarte :-)
Mittags sind wir in die Stadt um, haltet euch fest, die Zutaten für einen Streuselkuchen zu kaufen, mit dem wir unseren Backofen eingewiehen haben. Alles mit großer Verzögerung, da uns zuerst drei Stunden lang der Strom und dann das Wasser abgekappt wurde, aber ich kann euch sagen, so gut wie vom Bäcker Simon hat er geschmeckt! Den ganzen Tag über sind Leute vorbei gekommen um zu gratulieren - nicht zuletzt der Überraschungsbesuch aus Lomé namens Marleen und Anika! Das Ganze dann abgerundet mit einem schicken Tropensturm und Platzregen, ein Zeichen für Glück hier in Afrika. Abends sind wir lecker beim "Belgier" Hamburger und Pommes essen gegangen, zum Geburtstag gönnt man sich eben was.


Anika und Marleen
Am Samstag kamen dann die anderen togolesischen Freunde aus Lomé hoch, mit im Gepäck einen Geburtstagkuchen mit Namen und Kerzen versehen, ein Video davon hat meine Kamera leider wieder im Nachhinein von alleine zerstört :-( Nach dem Mittagessen sind wir mit dem Auto eines Bekannten(seeeeehr praktisch!) auf den Markt die Sachen für unser Festmahl am Abend holen gegangen: Salat mit Thunfisch und Mais, ja, das ist für mich in Togo ein absolutes Festmahl! :-) Mit Sangria, Schminke, Locken und neuem Kleidchen ging es dann gestern Abend auf die Piste, bis uns - erneut - der Storm genommen wurde und wir damit sozusagen gezwungen wurden, ins Bett zu gehen.
Meine beste Lisi :)
Den heutigen Tag haben wir für einen Ausflug an ein wunderschönes Schloss genutzt, dass leider leersteht da es dem Staat gehört, und der ja genug Geld besitzt, anstatt dort ein Hotel reinzubauen, denn dieses Schloss ist ein kleines Paradies, man würde reich damit. Aber gut, das ist mal wieder der togolesische Staat. Vorher war ich noch bei einer meiner Schülerinnen zum leckeren Fufu mit Erdnusssauce essen eingeladen, mal wieder ein Gaumenschmaus. Jetzt eben gab es dann noch das versprochene Hühnchen, allerdings haben wir uns doch für die sanfte Variante entschieden, und bereits getötetes Huhn auf dem Markt gekauft, dennoch, äußerst lecker!
Jetzt falle ich einfach nur tot ins Bett, denn das Ganze war zwar super schön, aber auch super anstrengend - mit 20 geht es eben nicht mehr so einfach ;-) In diesem Sinne, gute Nacht!

Donnerstag, 14. März 2013

Eigentliche Heimreise

Und schon ist es der 14. März, der Tag an dem ich eigentlich heimgeflogen wäre.
Egal, wie schwer die letzten Wochen vor allem waren, wie oft ich mich über die Einstellung der Menschen hier gegenüber der Weißen ärgere, wie oft ich manchmal an Heimweh leide, meine Freunde und Familie vermisse und mir die tollen Dinge aus Deutschland fehlen, war es eine der besten Entscheidungen meines Lebens, meinen Aufenthalt hier in Togo zu verlängern. Ich würde wirklich völlig aus meinem mittlerweile recht gefestigten Leben hier herausgerissen werden, ich habe noch lange nicht abgeschlossen, sondern noch viel vor mir. Als Hauptprojekt mittlerweile natürlich meine kleine Irene, ich will alles sichern für ihre Zukunft und detailliert planen, würde ich jetzt gehen, würde ich sie völlig in der Luft hängen lassen.
Auch meine Schüler sind gerade in der Schwebe, im Mai stehen die Abi- und Realschulprüfungen an, so kann ich sie jetzt bis dahin begleiten.
Alles in allem bin ich immer noch sehr glücklich hier und, wenn man das so sagen darf, auch etwas stolz auf mich, dass ich nicht den Mut verloren und kapituliert habe. Außerdem wäre der Wechseln von 35 Grad hier in den Schnee, der Deutschland wieder eingeholt hat, doch etwas zu hart ;-)
Morgen ist dann tatsächlich schon mein 20. Geburtstag - meine Güte, ich werde alt! Gerade morgen werdet ihr mir alle noch mehr als sonst fehlen, nicht zuletzt auch das gute deutsche Essen und die feine Kuchenauswahl am Mittag, aber man scheut hier keine Mühen, mir morgen einen tollen Tag zu machen - als verschwinden Leute und suchen scheinheilige Ausreden, was sie erledigen müssen, um irgendetwas heimlich zu organisieren, es kommen sogar Freunde aus Lomé hoch und das Highlight schlechthin ist wohl, dass am Samstag ein Huhn zu meinen Ehren geschlachtet wird! Wenn das mal nichts ist. Und gleich hole ich dann noch super schönes neues maßgeschneidertes Kleid bei Mimi, meiner Schneiderin, ab und dann dürften wir fit für das Geburtstagswochenende sein! Bericht folgt am Sonntag :-)

Montag, 11. März 2013

Der Horror ist (hoffentlich) vorbei

Ja, vielleicht hat dieser ganze Alptraum, den ich in der letzten Woche hatte, endlich ein Ende gefunden.
Eben habe ich den super offiziellen Brief des Staatsanwalts bei der Justiz abgeholt, der mir jetzt offiziell bestätigt, das Aufsichtsrecht für Irene zu haben, damit sind wir auf der sicheren Seite, da alles rechtlich abgesichert und akzeptiert ist. Ebenfalls haben wir beim Chef der Gendarmerie die "Sicherheitsgarantie" beaantragt, von der ich euch erzählt hatte und auch das ist weitesgehend durchgegangen.
Viel wichtiger ist aber das zu 100 Prozent positive Ergebnis unserer Reise nach Atakpamé gestern. Wir haben dort Irenes Mutter, sowie einen Bruder und eine Schwester getroffen. Die Armut war wirklich ergreifend, noch einmal kann ich sagen, dass jeder Cent gut gebraucht wird. Wir haben fast zwei Stunden dort verbracht, um alles zu klären. Zunächst hat die Mutter, natürlich nur auf Ewe, erklärt, wie sie die ganze Geschichte durchlebt hat, und dass sie Angst vor mir und um ihr Kind hatte ist absolut logisch: Die Gastmutter hat ihr gegenüber so getan, als ob sie mich nicht kenne, Irene wäre zu irgendeiner Weißen namens Hannah gegangen - nicht, dass ich über vier Monate in ihrem Haus gewohnt habe - und sonst auch kein einziges der positiven Dinge, wie den unterschriebenen Vertrag und die Abmachung gemeinsam nach Atakpamé zu fahren, erwähnt.
Nachdem wir alle unsere Geschichten erzählt hatten und auch Irene dieses mal wesentlich besser geredet hat, hat ihrer Mutter auf einmal alles unendlich Leid getan, sie hätte sich beinahe vor mir hingekniet um um Entschuldigung zu bitten und gesagt, dass sie schon am Mittwoch als ich so bitterlich geweint habe, riesiges Mitleid hatte.
Die Mutter hat uns erklärt, dass sie schon lange wussten, dass Irene dort so höllisch leidet, es ihrer Meinung nach aber immer noch besser als ein Leben in Atakpamé war, denn so konnte sie wenigstens zur Schule gehen und damit die Hoffnung der Familie darstellen. Wäre sie in Atakpamé gewesen, hätte sie ab dem Kindesalter jeden Tag mit auf dem Feld arbeiten müssen. Sozusagen die Wahl zwischen Pest und Cholera... Doch jetzt habe sie erkannt, dass mit mir das wohl größte Glück ihres Lebens in ihr Leben getreten sei(ich sage euch, bei so Worten kriegt man Gänsehaut am ganzen Körper!). Trotzdem hat sie ganz scheu gefragt, wie lange ich Irene denn fördern wolle. Als ich noch fast im selben Moment ohne eine Sekunde zu zögern gesagt habe, dass das eine Sache fürs Leben und nicht für ein paar Monate ist, war ihr letzter Zweifel verschwunden und zum ersten Mal habe ich diese kleine Frau lächeln sehen.
Festgehalten haben wir jetzt auch, dass Irenes Bruder Badim demnächst nach Kpalimé kommt, damit er unsere Situation von Ort, unser Haus und alles andere kennenlernt.
Kurz vorm Abschied habe ich Irenes Mutter 10.000 CFA, sprich circa 15 Euro, gegeben (ich hätte gerne noch mehr gegeben, davon hat mir Georges aber abgeraten, da dies bereits mehr als ein Monatsverdienst dieser Familie ist), was die Mutter zu Tränen gerührt und, wie man mir sagte "die stärksten Worte der Ewe Sprache" zu sagen, gebracht hat. Ich werde wohl jetzt den kompletten Segen Gottes auf meiner Seite haben!
Ich mit Irene und ihrer Familie
Gestern Abend haben wir Irene noch zu Cheritah, einer meine Schülerinnen, mit der sie jetzt zusammen wohnt, gebracht. Es war schon komisch, auf einmal hatte ich sozusagen ein Kind und dann zieht es nach einer Woche schon wieder aus! Fällt einer frischgebackenen "Mama", wie Irene mich jetzt nennt, gar nicht so leicht. Insgesamt hat man gemerkt, dass es für sie auch ziemlich hart ist, aber es ist wirklich notwendig, dass sie jetzt schon dort wohnt, damit ich bis Mai beobachten kann, ob das alles glatt läuft. Wir sehen uns trotzdem jeden Tag! Das Geld lasse ich ihr in Wochenraten zukommen, da sie mit zu großen Summen schlicht überfordert wäre und das Geld nicht gescheit einsetzten würde. Bald fangen wir dann auch damit an, dass sie selbst durch den Verkauf von selbst fabrizierten Süßigkeiten oder Bäckereien ein bisschen Geld zu verdienen, denn schließlich soll es jetzt nicht so sein, dass ich sie bis an mein Lebensende finanziere und sie sich faul ausruhen kann, sondern sie selbst alles Mögliche tut und ich "nur" als Unterstützung diene. Aber da ich mein Mädchen kenne, weiß ich, dass es für sie gar nicht in Frage kommt, sich auf meiner Hilfe auszuruhen.

Mittwoch, 6. März 2013

Der schlimmste Tag meines Lebens

Jeden Tag schreibe ich euch im Moment Horrorstories, sage, das und das war das schlimmste was ich je gesehen/gehört habe. Aber heute, so bin ich mir ziemlich sicher, war der Höhepunkt von allem und etwas, was ich wohl nur sehr schwer psychisch verarbeiten werde.
Wie ich euch berichtet habe, wurde ich heute morgen um 8 Uhr zum Verhör zur Gendarmerie geladen. Nur zur Erklärung: Die Gendamerie ist landesweit, die Polizei hier nur jeweils für die Städte. Wir waren pünktlich um acht da, die Gastmutter mit ihrem Anhang lies natürlich mehr als eine halbe Stunde auf sich warten. Als der Kommentar eines Soldaten dort war "Wir müssen ja nicht die Weißen mit ihrer Pünktlichkeit nachmachen" war mir klar, dass das alles andere als lustig wird.
Im Büro drinnen wurden wir alle von einem, ich nenne es mal Kommissar, verhört. Nachdem die Gastmutter ihre komplette Lügengechichte dargeboten, ich meine wirklich sachliche Beobachung während meiner Zeit in der Familie dargelegt und Irene leider sehr sehr sehr mangelhaft ihre Beschwerden offengelegt hatte, ging das wirklich unfassbare los. Wir, Lisa und vor allem ich, wurden angeschuldigt, das Kind entrissen, manipuliert und misshandelt zu haben. Selbst unser Koordinator Georges konnte nichts regeln, der Kommissar war völlig außer sich und - mit Verlaub - ein wahrer Rassist. Es heißt so oft, wir seien rassistisch gegenüber den Afrikanern, aber heute musste ich selbst erfahren und wirklich lernen, was ich nie als Gedanken klar formulieren wollte: Hier in Togo gibt es , eine absolute Mehrheit der Menschen, die die Weißen wirklich hassen. Wir wurden beleidigt, grundsätzlich nur als "Weiße" und niemals mit dem Namen angesprochen, uns wurde das Wort abgeschnitten und vorgeworfen, wir meinen wir seien was Besseres, könnten einfach in dieses Land kommen und uns verhalten wie wir wollten. Das Verhalten des Kommissars war so unnatürlich und übertrieben, dass es mehr als offensichtlich ist, dass die Gastmutter ihn geschmiert und wir damit mal wieder ein perfektes Beispiel für den Tumor dieses Landes haben: Korruption. Das Ganze endete darin, dass der Kommissar sagte, er wisse, wir verstecken etwas, sei es, dass ich Irene als Sklavin mit nach Europa nehmen will oder gar sie heiraten. Das muss man sich doch mal überlegen!!!!!!!!!!!!(Homosexualität ist hier per Gesetz verboten).
Man kommt hier her, verbringt 8 Monate seines Lebens um hier umsonst zu arbeiten und diesem Land zu helfen, anstatt in Deutschland gutes Geld zu verdienen oder zu studieren, und (nicht, dass je jemand Danke gesagt hätte, sondern als nur nach Geld oder Geschenken gefragt wird) der Dank ist, dass mir vorgeworfen wird ich wolle ein Kind misshandeln, welches ich vor dem sicheren Tod gerettet habe?! Wenn ich nicht zugebe, dass ich etwas derartiges vorhabe, werde er höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich ins Gefängnis komme. Georges gerade mit dazu, da sie ihm vorwerfen, die bösen Weißen noch anzustacheln. Für ihn war auch klar, dass Irene entweder in die Gastfamilie zurück, oder mit ihrer völlig mittellosen und offensichtlich leidenden Mutter, nach Atakpamé muss. Damit auch zu einer Frau, von der bis jetzt keiner weiß in welchem Verhältnis zu Irene steht, da sie sie selbst nicht kannte, die heute dabei war, uns mit Abstand am meisten beleidigt hat und zu Irene meinte, sie sei ein schlechtes Kind und werde schon sehen, was ihr in Atakpamé blühen werde.
Letztendlich konnte der Kommissar durch zahlreiche Entschuldigungen für unser "unmögliches" Verhalten(NEIN, ich habe mich nicht entschuldigt!) beruhigt werden, und wir wurden "nur" zur nächst höheren Instanz geschickt. Das war der Moment, in dem ich, ungelogen, im Büro vor allem Leuten zusammengebrochen bin. Ich war, und bin, nervlich einfach am Ende. Ich war so bitter enttäuscht von Irene, da ich wirklich alles für sie gemacht habe, mich aufgeopfert und unendliche Risiken eingegangen, und sie uns dann dort hängen lässt, weil sie es nicht schafft zu reden. Ja, man sollte verstehen, dass das Mädchen völlig verstört und eingeschüchtert ist, aber wir haben ihr das so oft erklärt, dass wir nur dann Erfolg haben können. Draußen hat die Gastmutter schon einen Tanz aufgeführt und gesungen: "Wir haben gewonnen, wir haben gewonnen" All das ist Teil ihres Plans, um uns moralisch so zu entkräften, das wir aufgeben. Nicht mit mir, auch wenn ich kurz davor war, da es ohne Irenes Aussage wirklich nicht auszuschließen war, dass mir etwas Schlimmes zustoßen wird. Blanke Panik.
Unser gutes Glück war, dass ein guter Freund von mir namens Komi, den Chef der nächst höheren Instanz, gut kennt und wir damit gute Karten hatten, so traurig das ist, hier kommt man anscheinend nur so weiter. Er hat sich noch einmal alles in Kurzfassung angehört, jedoch wesentlich sachlicher reagiert und uns letztendlich ans Gericht geschickt. In der Zwischenzeit hat natürlich halb Kpalimé mitbekommen, dass aufgelöst weinende Weiße durch die Gegend laufen, glaubt mir, Kpalimé ist schlimmer als jedes Dorf, was Geschwätz angeht.
Der Staatsanwalt, mit dem wir am Gericht geredet haben, ist der einzige Grund, warum ich noch irgendeinen Glauben an die Menschenheit habe. Auch er hat sich erneut alles angehört, er hat Irene wieder reden lassen, die wieder völlig unmöglich ihre Aussage gemacht hat, anstatt zu sagen, dass sie zuhause geschlagen wurde und schwer krank war, redet sie von Gott und irgendwelchen Duschen - es war bizarr, aber das Mädchen ist einfach völlig unselbstständlich. Verständlicherweise! Bisher wurde sie ja nur unterdrückt. Nur haben die Afrikaner da nicht wirklich Verständnis für, weshalb man sie beinahe wieder vor den wichtigsten Aussagen abgesägt hätte. Der Staatsanwalt und sein Vertreter sind ehrliche Verfechter des Rechts. Das hat selbst die Gastmutter gemerkt und daher dort aufgegeben, und gesagt, sie möchte sich nur von aller Verantwortung befreit werden und auch Irenes Mutter selbst musste einsehen, dass sie ihr Kind nicht zwingen kann, mit nach Atakpamé zu gehen - nicht, dass sie die finanziellen Mittel dazu überhaupt hätte. Diese Frau tut mir unendlich leid, da sie, bis jetzt, vermutlich nichts versteht, völlig verwirrt und verängstigt ist und nur von der Gastmutter bequatscht wird.
Nun jedenfalls haben wir "gewonnen", wenn man die Worte dieser Frau benutzen will. Irene bleibt bis zu den Ferien im August in Kpalimé, wohnt ab nächster Woche mit einer anderen Schülerin zusammen und ich habe das "Verantwortungsrecht"(Es gibt kein wirkliches Wort dafür im Deutschen glaube ich, es ist sozusagen schwächer als das Sorgerecht) und das Ganze ist von der Justiz veranlasst worden, morgen geben wir noch zwei Briefe ab, von denen einer eine Anfrage für eine Art "Sicherheitsgarantie", sprich regelmäßige Besuche sowie einer einstweiligen Verfügung gegen die Gastfamilie, da wir nun wirklich um unsere Sicherheit besorgt sind. Mit dieser Frau ist nicht zu spaßen, ich traue ihr alles zu.
Letztendlich ist alles so gekommen, wie wir es wollten und dennoch sitze ich hier völlig aufgelöst und demoralisiert. Die Dinge, die mir heute an den Kopf geschmissen wurden, hätte ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen nicht ausgemalt und dieser unfassbare Hass gegenüber den Weißen lässt es mir eiskalt den Rücken runterlaufen. Ja, unsere Vorfahren haben die Afrikaner misshandelt, aber das war lange vor mir und ich bin hier, um sozusagen davon was wiedergutzumachen. Es ist so traurig, dass die Menschen das hier nicht sehen. Viele zumindest, total rührend war, dass fast alles Frauen aus dem Viertel von der Gastfamilie an das Gericht kamen, da dort alle genau wissen, dass die Gastmutter wie der Teufel ist, sie kamen, um uns sozusagen zu unterstützen, oder andere Leute, die uns in der Straße gesehen haben und nach Erklärungen total fassungslos waren, wie man so reagieren kann, wenn jemand deinem Kind helfen will.
Trotz allem, momentan weiß ich nicht, ob ich bis Ende Mai hier bleiben will, da mich dieser Tag tief in meiner Seele verletzt hat und ich wirklich Angst habe, mich jetzt alleine in Kpalimé zu bewegen. Achso, Hass-SMS von Fabiola sind natürlich auch noch dabei.
Ich werde denke am Sonntag trotzdem nach Atakpamé fahren, Georges ist auch dort, um Irenes richtige Mutter noch einmal zu sehen und ihr alles genau zu erklären, den Brief, den ich ihr geschrieben hatte, hat man heute nicht vorgelesen. Das ist für mich das Schlimmste, diese Frau denkt die bösesten Sachen über mich, da man sie völlig manipuliert hat. Aber das werden wir am Sonntag hoffentlich richten können.
Hoffen wir einfach, dass dieser Spuk jetzt endgültig ein Ende hat und Irene einen neuen Lebensabschnitt beginnen kann.

Dienstag, 5. März 2013

Eskalation

Nein, noch immer findet der Horror kein Ende, sondern er vermehrt sich... Ich selbst kann noch nicht fassen, was sich heute ereignet hat.
Stand der Dinge war ja nun, dass wir Sonntag alle gemeinsam nach Atakpamé fahren, um dort Irenes Mutter zu treffen und die Geschichte endgültig offiziell zu beenden. Warum nur wusste ich, dass das nicht so ablaufen wird, sondern die Gastmutter irgendwas plant?
Heute nach der Schule kam Irene völlig aufgelöst nach Hause und berichtete mir, dass die Gastmutter mit ihren richtigen Mutter sowie zwei anderen Frauen auf sie beim Schuldirektor gewartet hat! Gott sei Dank liebt dieser Irene und hat alleman nach Hause geschickt, sowas habe in der Schule nichts zu suchen, danach hat er Irene beiseite geholt und ihr gesagt, morgen solle sie ihm einmal alles erklären.
Die Gastmutter hat also tatsächlich die bettelarme Mutter von Irene nach Kpalimé bestellt und ihr, wie ihr noch merken werdet, eine absolute Gehirnwäsche erteilt.
Ich habe, nachdem Irene mir alles erzählt hat, sofort Georges angerufen, der durch den Telefonterror der Mutter schon Bescheid wusste, und es wurde ein Treffen in meiner alten Gastfamilie um 17 Uhr festgehalten. Kurz vorher kommt auf einmal ein Brief bei mir zu Hause an - ich muss morgen um 8 Uhr mich vor der Polizei verantworten. Höchstwahrscheinlich bin ich durch Irenes Mutter selbst des Kinderhandels angeklagt. Das muss man erst einmal verdauen.
Wir sind dann, wie abgemacht, pünktlich um 17 Uhr bei der Gastfamilie aufgetaucht, nur war natürlich niemand außer einer uns beleidigenden Fabiola da. Anrufe an die Gastmutter wurden erst nicht angenommen, dann sagte sie einfach nur: Wir sehen uns morgen bei der Gendarmerie. Mal wieder hat diese Frau sich an keinerlei Absprachen gehalten und hinterhältig Pläne ausgeheckt. Fabiola hat mit dem wohl oberpeinlichsten Verhalten überhaupt heute vor anderen Leuten dafür gesorgt, dass alles noch lächerlicher ist. Beinahe hätte sie mir eine Ohrfeige gegeben, sehr schade das nicht, denn dann hätte ich das morgen auch noch gegen sie in der Hand. Gott sei Dank ist jetzt nun auch endlich Georges soweit, den Gedanken, sich im Frieden zu trennen, fallen zu lassen. Jetzt stehe ich hier mit meinen 19 Jahren als Freiwillige, die diesem Land helfen will und habe die wohl abscheulichste Anklage überhaupt am Hals.
Bitte, jedoch habt keine Angst! Wirklich. Ich bin nicht allein, denn mit Georges habe ich den wohl größten Verfechter des Rechts an meiner Seite und mir kann einfach nichts passieren denn: Was soll ich gemacht haben? Irene hat freiwillig ihr Haus verlassen und hat sich freiwillig dazu entschieden, zunächst bei mir zu wohnen, nirgendwo gibt es Zwang. Ich bin fast schon froh, dass die Gastmutter diesen Weg, für sie Fehler, gegangen ist. Denn so kommt das ganze jetzt an die Justiz und auch werden wir uns an Menschenrechtsorganisationen wenden. Diese Frau versteht einfach zu null Prozent, dass sie diejenige ist, die vielleicht sogar ins Gefängnis gehen wird, da sie ein Kind wie einen Sklaven gehalten und misshandelt hat. Aber wie soll man das in den Kopf von Menschen reinkriegen, die sich nach all ihren Schandtaten gut fühlen, sich im Recht sehen und mir jetzt abends noch Hass-SMS schicken? Sie glauben tatsächlich, dass ich morgen alleine als Weiße zur Polizei gehen und ja, dann könnte es schwierig werden, denn leider ist hier Korruption wirklich ein großes Thema und man probiert den Weißen wo es nur geht Geld abzuknöpfen. Fabiola meinte heute auch, morgen wird ihre Hautfarbe schon dafür sorgen, dass ich Weiße mein blaues Wunder erlebe - soviel dazu, dass dort Freiwillige aufgenommen wurden, in solchen Momenten sieht man eben die wahren Denkweisen.
Morgen werden sie sehen was ihnen blüht, denn für mich ist jetzt Schluss mit lustig.Wer mir so kommt, kann sehen. Ganz wichtig ist für mich auch, morgen das Vertrauen Irenes Mutter zu gewinnen, denn das ist das wichtigste. Ich habe einen Brief im Gepäck, den Georges ihr vor Ort auf Ewe übersetzten wird, wenn es damit nicht klappt, weiß ich es auch nicht mehr.
Habt keine Angst, mir kann nichts passieren. Ich halte euch auf dem Laufenden.

Sonntag, 3. März 2013

Irene, die Zweite



Heute habe ich den wohl krassesten Satz meines Lebens gehört „Bevor ich in diese Familie zurück muss, sterbe ich lieber.“ Was muss ein Mensch durchgemacht haben, bis er so was über die Lippen bringt? Was muss meine geliebte Irene alles ertragen haben? Dieser Gedanke bringt mich um, ich wünschte, ich hätte ihr schon viel früher helfen können.
 

Leider ist die Geschichte, wo wie ich sie gestern geschrieben habe, doch nicht zu Ende gegangen. Gestern noch hieß es, dass wenn wir die unterschriebene Verantwortungserklärung abgeben, die Gastmutter Irenes Auszug akzeptiert.
Heute sind wir in die Gastfamilie gefahren um dort wirklich innerhalb von fünf Minuten alles über die Bühne zu bringen, ich war noch nie in meinem Leben so angespannt, da ich wirklich nicht wusste, wie ich reagieren werde, ob ich mich beherrschen kann und nicht allen an den Hals springe. Dort angekommen hat die Gastmutter immer noch ihre Miene aufgesetzt und auf lieb und lustig gemacht. Lauter Lügen, nur Müll der geredet wurde. Ich habe gerade wirklich keine Kraft, alles genau niederzuschreiben, jedoch hat man in manchen Momenten die wahren Gesichter gesehen, in denen wir auch beleidigt wurden. Fakt ist, nachdem Lisa und ich unterschrieben hatten, weigerte sich die Gastmutter auf einmal, sie will alleine das Original behalten, selbst zum Bürgermeister gehen und es beglaubigen lassen. Natürlich haben wir uns quergestellt, nachdem sie gemerkt hat, dass wir uns nicht bequatschen lassen, hat sie unterschrieben und wir haben Kopien gemacht. Aber, dass das Ganze so einfach funktioniert, war leider nur eine Wunschvorstellung. Plötzlich hat die Gastmutter erfunden, dass sie nach Atakpamé zu Irenes leiblicher Mutter will, um sie über alles zu informieren. Sie wollte heute alleine mit ihr fahren, was Lisa und ich ebenfalls verweigert haben, da wir wirklich besorgt um Irenes Sicherheit sind. Jetzt fahren wir nächsten Sonntag gemeinsam, auch mit Georges. Das ist sehr wichtig, da Irenes Mutter leider kein Französisch redet und die Gastmutter ihr somit auf Ewe lauter Lügen erzählen kann, darin ist sie ja sehr gut, und wir alleine nicht intervenieren könnten.
Das aber wirklich Schlimmste für mich war das, was Irene mir dann Zuhause erzählt hat. Ihre Familie in Atakpamé, eine Schwester, ein Bruder und ihre leibliche Mutter, leben in bitterer Armut. Dass ihre Mutter kein Französisch spricht, zeigt, dass sie schon immer bettelarm ist, da sie nicht einmal zur Schule gehen konnte. Die Familie lebt in einem halb eingefallenen Haus, die Mutter ist schwer krank und völlig abgemagert. Das Schulgeld für die kleine Schwester haben sie durch einen ganzen Sommer harter Arbeit gerade so zusammenbekommen, meine Angst, dass Prostitution mitgespielt hat, ist auch noch nicht ganz gewichen(leider ist das hier für viele Mädchen der letzte Ausweg, es ist keine Seltenheit, aber jedes Mal eine Tat aus Verzweiflung und für das nackte Überleben). Irenes Vater ist schon vor 7 Jahre gestorben. Das alles hat sie mir bis jetzt nur erzählt und Sonntag werde ich es sehen, Irene hat gesagt, dass es schockierend ist, ich es aber schaffen muss, auf keinen Fall zu weinen, da das hier in Togo wirklich schlimm ist und die Leute damit nicht zurecht kommen. Ich habe Angst, blanke Angst. Was ich am Sonntag sehen werde, wird vermutlich alles übertreffen, was ich bis jetzt hier erlebt habe. Ich habe heute drei Stunden unbeweglich in meinem Zimmer gesehen und geweint(natürlich nicht so, dass Irene es sieht - sie hat es trotzdem mitbekommen und daraufhin gemeint, sie haut ab, da ich zu sehr leide. Ich hoffe das zeigt euch ein wenig, wie tragisch es für die Togolesen ist, wenn man weint.), da ich psychisch an meinen Grenzen bin und dieses Leid einen auffrisst, genauso wie diese unfassbare Show, die meine ehemalige Gastfamilie heute abgezogen hat, ich frage mich, wie Menschen so falsch und so grausam sein können.
Im Moment passieren Dinge, die mich für mein Leben prägen werden, Worte und Taten, die ich niemals vergessen werde.
Jedenfalls habe ich mir viele Gedanken gemacht, mir ist schon lange klar, dass ich eine Patenschaft für Irene übernehme und ich auch diejenige bin, die die nächste Zeit ihr Leben finanzieren wird, sprich Schulgeld, Wohnung, Nahrung(sie wiegt mit 15 Jahren nur 43 Kilo) und was sonst essentiell ist. Nach Sonntag aber werde ich vermutlich noch wesentlich mehr zu helfen haben und ich möchte jetzt ganz offiziell darum bitten, für die Leute, die bereit sind mir sozusagen zu meinem baldigen Geburtstag ein "Geschenk" zu machen oder es sowieso vor hatten, mich zu kontaktieren (Facebook oder Email: hannah.cook@web.de) und Spenden für Irene und ihre Familie zu geben, ich möchte dieses Jahr nichts sonst zum Geburtstag erhalten, denn ganz ehrlich - ich habe alles was ich brauche. Was brauche ich noch? Mir geht es gut, ich lebe ein gutes Leben. Hier gibt es wirkliche Probleme, Fälle, in denen jeder Euro zählt. Also, wenn ihr bereit seid, ich freue mich über jeden Cent, den ich für Irene aufbringen kann. Danke. Vielen vielen Dank.

Samstag, 2. März 2013

Irene

Ja, meine kleine Irene, mein Sorgenkind.
Nachdem sie Malaria hatte und wir damit schwarz auf weiß etwas gegen meine Ex-Gastmutter in der Hand hatten, sind wir auf der Suche nach einem Zimmer, in dem sie dauerhaft alleine wohnen kann. Jetzt allerdings wohnt sie ein paar Tage bei mir, da die ganze Situation hier eskaliert ist.
Da Irene wegen der durchaus starken Malariaerkankung Spritzen in den Po bekommen hat, konnte man ihrem wohl eher sonderlichen Gang direkt ansehen, dass sie behandelt wurde. Die Gastfamilie selbst hat es gar nicht gemerkt, erst als Schulkameraden nach Hause kamen um nach ihr zu schauen und leider ohne nachzudenken losgeredet haben, ist das Ganze aufgeflogen. Danach hat die Gastmutter selbst gesagt, Irene soll und kann das Haus verlassen. Gestern Abend sollte dann eigentlich der ganze Showdown sein, doch Irene ist weder aufgetaucht noch war sie erreichbar und ich daher mit meinen Nerven völlig am Ende wegen der Horrorszenarien die ich mir ausgemalt habe. Geplant war, dass sie ihre Sachen packt und abends friedlich mit einem hinterlassenen Brief aus dem Haus geht. Das hat leider nicht so ganz funktioniert, weshalb ich in Richtung ihres Hauses gefahren bin(in Begleitung!) um zu sehen, ob sie wirklich zu Hause ist. Dabei ist genau in dem Moment - wieder so ein dämlicher Zufall - Fabiola, die große und bösartige Gastschwester, auf dem Moto vorbeigefahren und hat mich in ihrem Viertel gesehen. Durch eine ziemlich glaubwürdige Ausrede konnten wir sie jedoch relativ leicht täuschen. Zwischenzeitlich war ich so verzweifelt, dass ich kurz davor war einfach in mein ehemaliges Zuhause reinzugehen und Irene zu holen oder beziehungsweise die Polizei zu rufen, ich war mir wirklich nicht sicher, ob ihr was angetan wurde. Georges jedoch konnte mich wieder einigermaßen beruhigen.
Also sind wir ohne Ergebnis zurück in unsere Wohnung, als ich gegen halb fünf morgens durch permanente Anrufe meiner Gastmutter geweckt wurde. Es hat etwas gedauert, bis ich eine SMS von Irene entdeckt habe, dass sie vor meiner Haustür steht. Das Mädchen ist nachts um vier von Zuhause abgehauen, wurde erwischst, es gab eine heftige Diskussion und die Gastfamilie hat Teile ihrer Habseligkeiten einbehalten. Natürlich wollten alle wissen wo sie hin geht, selbst gesagt hat sie es nicht, aber wohin sonst außer zu mir soll sie denn schon hingehen, sonst hat sie ja niemanden. Also ging der Telefonterror weiter, genauso wie die scheinheiligen SMS ob Irene denn gut bei mir angekommen wäre. Ich war mir nicht sicher, was und ob Georges vielleicht zu ihnen gesagt hatte, deswegen habe ich keinen Anruf entgegen genommen, sondern bis sieben gewartet, Georges kontaktiert, der ebenfalls pausenlos angerufen wurde und zur Gastfamilie gebeten wurde.
Dort wurden wieder die wildesten Lügengeschichten aufgetischt, der Hammer schlechthin war wohl die Aussage der Gastmutter, dass sie zur Polizei gehen wollte, da ich Irene gekidnappt hätte. Mit Verlaub, diese Frau ist wirklich gestört. Georges selbst hat ihr erklärt, dass das ganze ein Schuss in den Ofen für sie wäre, da dann die Misshandlung Irenes an die Justiz kommen würde und Irene völlig freiwillig zu mir gekommen ist - genau so, wie die Gastmutter selbst zu ihr gesagt hat, sie soll gehen, was sie jetzt widerum leugnet.
Nun gut, von der Gastfamilie weggefahren, ruft Georges mich panisch an, dass ich Caro, eine andere Freiwillige, die Fabiola kennt, sofort anrufen muss und sie davon abhalten, dass sie mit Fabiola zu mir kommt. Dieses Teufelsmädchen hielt sich für ganz schlau und hat scheinheilig zu Caro gesagt, sie wolle mich besuchen aber wisse ja nicht, wo mein neues Zuhause ist - aus gutem Grund, da ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will, und somit auch die Sicherheit Irenes weg wäre. Zwei Minuten später und Caro hätte mit ihr vor der Tür gestanden, sie konnte sie gerade noch abwimmeln und einen Termin als Vorwand nehmen, warum sie doch nicht mit ihr zu uns kommen kann. Daraufhin lies Fabiola nur ausrichten:"Mama ist stocksauer und Irene muss SOFORT nach Hause kommen." Tja - die träumen mal wieder.
Georges ist erneut zu der Gastfamilie gefahren, hat erklärt, dass Irene für ein paar Tage bei mir wohnt, bis wir für sie selbst ein Zimmer gefunden haben(ich fahre im Mai weg, daher keine permanente Lösung), sie nicht wiederkommen wird und er die restlichen Sachen von Irene mitnehmen mag. Das hat die Gastmutter zuerst verweigert, erst mit Drohung von Polizei hat sie eingewilligt, dass wenn ich einen "Vertrag" unterschreibe, auf dem ich für die nächsten Tage die Verantwortung für Irene übernehme und Irene, Georges und ich morgen vorbeikommen. Ich soll doch nochmal erklären, warum ich überhaupt aus der Familie weg bin, was mich denn gestört hätte - ich glaube diese Aussage zeigt, wie wenig meine Ex-Gastmutter und Fabiola verstehen, was sie Irene angetan haben, man kann nur beten, dass sie es eines Tages verstehen.
Jetzt allerdings ist wichtig, dass heute für Irene ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat und sie ihre schreckliche Kindheit hinter sich lassen kann.
Vielliecht klappt mein Menschenrechtsprojekt nicht, ich kann nicht unterrichten, weil Schüler die Schulgebühr nicht bezahlen aber eins weiß ich - dass ich nach Togo gekommen bin, hat einene tiefen Sinn, denn ich habe Irene das Leben gerettet.

Dienstag, 26. Februar 2013

Ein paar viele Probleme



Leider geht hier im Moment mal wieder alles etwas drunter und drüber, da das eben zum togolesischen Alltag dazugehört, werde ich mal über meine Probleme berichten.
Nach wie vor ist es an der Schule, an der ich drei Vormittage arbeite, mehr als schwierig. Die Lehrer tauchen nicht auf, die Schüler wollen daher logischerweise nicht den zweiten fälligen Betrag des Schulgeldes bezahlen. Gestern ist während meines Unterrichts der Direktor rein und schickt jeden einzelnen meiner Schüler heim, damit sie Zuhause das Geld für die Schule holen, vorher darf ich keinen Unterricht mehr machen. Meiner Meinung haben die Schüler aber absolut recht mit ihrem Protest, warum die bezahlen sollen, wenn seit mehreren Monaten kaum Lehrer auftauchen. Ausgerechnet gestern ist dann gerade danach ein Lehrer zum ersten Mal seit Ewigkeiten an die Schule gekommen – gerade dann, wenn gerade alle heimgeschickt wurden!! Ob der jemals wiederkommt, ist fragwürdig.
Abgesehen davon wurde einem der Schüler, der sich getraut hat, gegen den Direktor zu gehen und die Meinung zu sagen, nun im Prinzip Geld gestohlen. Es fehlten noch 5000 CFA für den ersten Betrag der Schulgebühr, er hat dem „surveillant“, der Mann, der die Abwesenheitsliste führt und für Ordnung sorgt(nicht selten mit Schlagstock, aber den konnte ich erfolgreich und bis jetzt inkognito entweden-juhu!) 10000 CFA gegeben, jetzt eine Quittung über die lediglich 5000 fehlenden erhalten und der Direktor behauptet jetzt, nie mehr Geld bekommen zu haben und hat gleichzeitig den Aufpasser fristlos gekündigt und schon ersetzt, da er diesem unterstellt, jetzt mit den Schülern unter einer Decke zu stecken.  Dieser Direktor ist wirklich einer der widerlichsten Menschen, die ich bis jetzt in Togo getroffen habe, er lügt wie gedruckt. Beispielsweise arbeitet er seit Jahren mit Georges zusammen und macht immer einen auf riesen Vertreter der Menschenrechte, hat jetzt aber seine eigene Tochter aufgrund einer Beziehung zu einem Jungen verprügelt. Klar, dass es ihm so gar nicht schmeckt, wenn die Schüler, naja,  einige wenige, eben mal den Mund auf machen. Ich vergöttere sie dafür wirklich, es sind drei Stück, die wirklich die richtige Denkweise haben, sie sagen, wenn nicht alle Angst hätten und man als Gruppe arbeiten würde, könnte man was bewirken. Wie recht sie haben.
Für mich auch wirklich tragisch ist, dass einer der Schüler, von dem ich am meisten gehalten habe, illegaler weise Benzin und Marihuana aus Ghana nach Togo eingeführt hat, dabei erwischt wurde und jetzt 7-10 Jahre im Knast sitzen wird. Er hat mit dieser Aktion schlicht und ergreifend sein Leben weggeworfen und wird in Togo keine Arbeit mehr finden – wenn er den Knast übersteht. Hier wurde ich auch schon gefragt, ob ich eine Summe von 2000 Euro zum Freikaufen geben könnte – was das für eine psychische Belastung ist, muss ich euch glaube nicht erklären. Das Ganze kam jetzt noch im Fernsehen, dass wirklich ganz Kpalimé Bescheid weiß.  
Dann musste ich gestern wieder die Erfahrung machen, dass Togo, wenn die Menschen hier ihre Denkweise nicht ändern, niemals aus der Armut herauskommen kann. Ein Freund von mir, der (wie die meisten Menschen hier) nicht viel Geld hat, wird bald eine größere Summe erhalten und meinte, er wird sich dann direkt ein Moto kaufen. Es war das absolute Sinnbild der togolesischen Mentalität: ein Denken bis maximal zum nächsten Tag, wenn man Geld hat, wird alles auf einmal ausgegeben, kein Mensch denkt ans Sparen, falls mal eines Tages eine größere Anschaffung oder eine Krankheit ansteht. Auch fehlt den meisten Togolesen jegliches Gefühl für Berechnungen, ich habe ihm dann beispielsweise vorgerechnet, dass es fünf Jahre dauern wird, bis er die Summe für das Moto durch seine Arbeit wieder drin hat, da war er selbst sehr erstaunt und ich konnte ihn so – Gott sei Dank! – zum Nachdenken bringen. Den Leuten fehlt wirklich die Fähigkeit ein Langzeitdenken zu entwickeln. Daher frage ich mich wirklich, wie dieses Land der Armut entkommen soll.
Meine größte Sorge ist und bleib jedoch meine geliebte (Gast)schwester Irene. Für sie ist es zuhause jetzt noch schwieriger da ich nicht da bin, wir treffen uns jedoch mehrmals die Woche, wo ich ihr zu Essen, Geld und sonstige Dinge gebe die sie braucht. Das alles ist eine Sache, jetzt jedoch kam etwas, womit Georges und ich wirklich was in der Hand haben, damit wir sie aus dieser Familie rausholen können. Ich komme gerade (zum dritten Mal) vom Krankenhaus mit ihr, da sie Malaria hat, und zwar schon ziemlich lange. Sie hat der Gastmutter mehrfach über ihre Beschwerden berichtet, sie hat gebrochen, Kopfweh, Müdigkeit, Fieber und sonst alle möglichen Schmerzen, daraufhin meinte meine ehemalige Gastmutter nur, dass sei bestimmt Malaria, doch sie soll nicht denken, dass sie ihr Geld fürs Krankenhaus oder Medikamente geben wird. Das ist der wohl offensichtlichste Akt gegen Irenes Recht auf Gesundheit und medizinische Behandlung, da wir jetzt schwarz auf weiß einen positiven Malariatest haben, dürfte ihrem Umzug nichts mehr im Weg stehen, heute Abend treffe ich mich mit Georges um das alles zu besprechen. Natürlich bin jetzt diejenige, die die komplette Behandlung für sie bezahlt hat, aber als sie gegenüber dem Arzt meinte, dass ich für sie noch mehr mache als eine Mutter und ihr mehr bedeute, wusste ich, dass es jeder einzelne bis jetzt verbrauchte Cent und alle die noch kommen zu hundert Prozent wert sind. Sie ist so ein intelligentes Mädchen, trotz all dieser Schwierigkeiten bin ich sicher, dass sie die Examen bestehen wird und dann kann für ein Mädchen wie ihr einer besseren Zukunft nichts mehr im Wege stehen.
Ja, ich denke ihr merkt selbst, dass sich hier im Moment die Sorgen ziemlich anhäufen, da man diese dauerhafte psychische Belastung hat reichen oft auch kleine Probleme, damit die Welt mal ganz grau aussieht. Aber glücklicherweise wohne ich ja jetzt mit Lisa zusammen, das gibt uns beiden wirklich Kraft. Und bitte denkt jetzt nicht, ich bin todunglücklich – keineswegs! Ich kriege schon wieder die Krise, weil meine Zeit, die mir hier verbleibt, schon wieder drei Monate unterschritten hat. Trotz all der Probleme bewahre ich meinen Frohsinn, meine Hoffnung und meine positive Ansicht. Ca va aller! :-)