Sonntag, 3. März 2013

Irene, die Zweite



Heute habe ich den wohl krassesten Satz meines Lebens gehört „Bevor ich in diese Familie zurück muss, sterbe ich lieber.“ Was muss ein Mensch durchgemacht haben, bis er so was über die Lippen bringt? Was muss meine geliebte Irene alles ertragen haben? Dieser Gedanke bringt mich um, ich wünschte, ich hätte ihr schon viel früher helfen können.
 

Leider ist die Geschichte, wo wie ich sie gestern geschrieben habe, doch nicht zu Ende gegangen. Gestern noch hieß es, dass wenn wir die unterschriebene Verantwortungserklärung abgeben, die Gastmutter Irenes Auszug akzeptiert.
Heute sind wir in die Gastfamilie gefahren um dort wirklich innerhalb von fünf Minuten alles über die Bühne zu bringen, ich war noch nie in meinem Leben so angespannt, da ich wirklich nicht wusste, wie ich reagieren werde, ob ich mich beherrschen kann und nicht allen an den Hals springe. Dort angekommen hat die Gastmutter immer noch ihre Miene aufgesetzt und auf lieb und lustig gemacht. Lauter Lügen, nur Müll der geredet wurde. Ich habe gerade wirklich keine Kraft, alles genau niederzuschreiben, jedoch hat man in manchen Momenten die wahren Gesichter gesehen, in denen wir auch beleidigt wurden. Fakt ist, nachdem Lisa und ich unterschrieben hatten, weigerte sich die Gastmutter auf einmal, sie will alleine das Original behalten, selbst zum Bürgermeister gehen und es beglaubigen lassen. Natürlich haben wir uns quergestellt, nachdem sie gemerkt hat, dass wir uns nicht bequatschen lassen, hat sie unterschrieben und wir haben Kopien gemacht. Aber, dass das Ganze so einfach funktioniert, war leider nur eine Wunschvorstellung. Plötzlich hat die Gastmutter erfunden, dass sie nach Atakpamé zu Irenes leiblicher Mutter will, um sie über alles zu informieren. Sie wollte heute alleine mit ihr fahren, was Lisa und ich ebenfalls verweigert haben, da wir wirklich besorgt um Irenes Sicherheit sind. Jetzt fahren wir nächsten Sonntag gemeinsam, auch mit Georges. Das ist sehr wichtig, da Irenes Mutter leider kein Französisch redet und die Gastmutter ihr somit auf Ewe lauter Lügen erzählen kann, darin ist sie ja sehr gut, und wir alleine nicht intervenieren könnten.
Das aber wirklich Schlimmste für mich war das, was Irene mir dann Zuhause erzählt hat. Ihre Familie in Atakpamé, eine Schwester, ein Bruder und ihre leibliche Mutter, leben in bitterer Armut. Dass ihre Mutter kein Französisch spricht, zeigt, dass sie schon immer bettelarm ist, da sie nicht einmal zur Schule gehen konnte. Die Familie lebt in einem halb eingefallenen Haus, die Mutter ist schwer krank und völlig abgemagert. Das Schulgeld für die kleine Schwester haben sie durch einen ganzen Sommer harter Arbeit gerade so zusammenbekommen, meine Angst, dass Prostitution mitgespielt hat, ist auch noch nicht ganz gewichen(leider ist das hier für viele Mädchen der letzte Ausweg, es ist keine Seltenheit, aber jedes Mal eine Tat aus Verzweiflung und für das nackte Überleben). Irenes Vater ist schon vor 7 Jahre gestorben. Das alles hat sie mir bis jetzt nur erzählt und Sonntag werde ich es sehen, Irene hat gesagt, dass es schockierend ist, ich es aber schaffen muss, auf keinen Fall zu weinen, da das hier in Togo wirklich schlimm ist und die Leute damit nicht zurecht kommen. Ich habe Angst, blanke Angst. Was ich am Sonntag sehen werde, wird vermutlich alles übertreffen, was ich bis jetzt hier erlebt habe. Ich habe heute drei Stunden unbeweglich in meinem Zimmer gesehen und geweint(natürlich nicht so, dass Irene es sieht - sie hat es trotzdem mitbekommen und daraufhin gemeint, sie haut ab, da ich zu sehr leide. Ich hoffe das zeigt euch ein wenig, wie tragisch es für die Togolesen ist, wenn man weint.), da ich psychisch an meinen Grenzen bin und dieses Leid einen auffrisst, genauso wie diese unfassbare Show, die meine ehemalige Gastfamilie heute abgezogen hat, ich frage mich, wie Menschen so falsch und so grausam sein können.
Im Moment passieren Dinge, die mich für mein Leben prägen werden, Worte und Taten, die ich niemals vergessen werde.
Jedenfalls habe ich mir viele Gedanken gemacht, mir ist schon lange klar, dass ich eine Patenschaft für Irene übernehme und ich auch diejenige bin, die die nächste Zeit ihr Leben finanzieren wird, sprich Schulgeld, Wohnung, Nahrung(sie wiegt mit 15 Jahren nur 43 Kilo) und was sonst essentiell ist. Nach Sonntag aber werde ich vermutlich noch wesentlich mehr zu helfen haben und ich möchte jetzt ganz offiziell darum bitten, für die Leute, die bereit sind mir sozusagen zu meinem baldigen Geburtstag ein "Geschenk" zu machen oder es sowieso vor hatten, mich zu kontaktieren (Facebook oder Email: hannah.cook@web.de) und Spenden für Irene und ihre Familie zu geben, ich möchte dieses Jahr nichts sonst zum Geburtstag erhalten, denn ganz ehrlich - ich habe alles was ich brauche. Was brauche ich noch? Mir geht es gut, ich lebe ein gutes Leben. Hier gibt es wirkliche Probleme, Fälle, in denen jeder Euro zählt. Also, wenn ihr bereit seid, ich freue mich über jeden Cent, den ich für Irene aufbringen kann. Danke. Vielen vielen Dank.

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