Donnerstag, 8. November 2012

Große Missstände

Leider musste ich in meinen ersten Wochen hier schon einige Dinge feststellen, die hier gewaltig schief laufen.
Zum Einen ist es die extreme Verschmutzung dieses wunderschönen Landes, die die Togolesen selbst zu verantworten haben. Egal wo man hinschaut, überall ist Müll - schrecklich, dass das Plastik hier so angekommen und gefragt ist, egal was man kauft, alles wir 10-mal in Plastik eingepackt und danach lustig auf die Straße geschmissen. Irgendwie kann man es hier auch keinem übel nehmen, denn in der gesamten Stadt habe ich bis jetzt 3 Mülleimer gesehen. Trotzdem ist es traurig, dass die Menschen hier nicht begreifen, dass sie ihr Land damit in noch größere Probleme, als es ohnehin schon hat, treiben.
Auch wie manche Leute mit den "Jowos", den Weißen umgehen ist suboptimal. Verständlich, dass sie denken, die Weißen haben so viel Geld, wenn man aber als angequatscht wird nach dem Motto "Du musst mir ein Geschenk machen" fällt es schwer auf Dauer freundlich zu bleiben. Auch die Belästigung durch erwachsene Männer ist unglaublich, auch durch Lehrer an den Schulen, an denen man unterrichtet. Aber ja, so ist das nunmal, plötzlich ist man als Weiße was außergewöhnliches, daran habe ich mich noch nicht recht gewöhnt.
Etwas anderes was mich, und auch viele andere Freiwillige stört, ist, dass wir viel effizienter und auch mehr arbeiten könnten, das jedoch in den Projekten selbst meist gar nicht vorgesehen ist. Wenn alle Freiwilligen hier ihr Maximum geben könnten/würden, wäre das Land auch schon wesentlich weiter. Ihr kennt mich ja, ich bin mit dem Gedanken hier, die Welt ein bisschen zu verändern, bei Vorbereitungsgesprächen zu solchen Aufenthalten kriegt man das aber gerade ausgeredet. Irgendwie ist das doch ein Fehler im System! Man muss sich selbst Arbeit suchen und Initiative ergreifen, was ich natürlich mache, andere aber nicht, irgendwie ärgere ich mich dann sehr darüber. Ich jedenfalls gebe meine Gedanken, hier wirklich wenigstens etwas zu bewegen nicht so schnell auf!! :-)
Was jedoch am schlimmesten ist, sind die Zustände in den Schulen. Ich bin nur in Privatschulen und selbst da verfügen die Kinder über keinerlei Bücher oder Materialien. So geht mir im Unterricht durch ewiges Anschreiben viel wertvolle Zeit verloren. Allerdings ist das wirklich ein Luxusproblem, wenn man die Zustände an den öffentlichen Schulen kennt. An diesen Schulen ist es wirklich absolut Gang und Gebe, dass die Kinder verprügelt werden - auch ich musste heute mit ansehen, wie ein Lehrer die Kinder geschlagen hat, vermutlich noch relativ harmlos, mir jedoch hat es die Tränen in die Augen getrieben und ich habe meine Zähne so fest zusammengebissen, dass ich jezt Kieferschmerzen habe. Vor allem darf man als Freiwillige normal nichts dazu sagen oder dazwischengehen, da man sonst direkt rausgeworfen wird. Ob ich mich wirklich immer daran halte, ist fraglich. Dann riskiere ich eben Probleme, aber wenn ich das ansehe, komme ich an meine Grenzen. Vor allem war der Lehrer einfach derjenige, der von dieser Schule der Verantwortliche für das Menschenrechtsprojekt ist!!! Am Wochenende sitzt er noch da, und redet wie schlecht es ist, Kinder zu schlagen, und heute wurde jedes einzelne Kind in der Klasse geschlagen, weil sie seiner Meinung nach nicht schnell genug arbeiten. Und das auf einer Schule, für die die Eltern einen riesen Haufen Geld bezahlen! Nach der Stunde bin ich zu den Schülern, die mit im Club für die Menschenrechte sind, und habe ihnen gesagt, dass sie genau wissen, dass das gegen das Gesetz ist, ich aber weiß, dass sie nicht gegen den Lehrer gehen können, aber ich habe ihnen nahe gelegt, all ihre Mitschüler über das Gesetz diesbezüglich aufzuklären, das ist die Aufgabe: Verbreitung des Wissens über die Menschenrechte.
An den öffentlichen Schulen sind die Zustände noch 10 mal härter, würde ich da arbeiten, wüsste ich, dass ich nach 2 Monaten und psychisch ausgelaugt heimkomme. Zu der ständigen Prügelei kommt bei Mädchen ein noch ganz anderes Problem: sexuelle Belästigung. Die häuftiste Form besteht darin, dass die Lehrer guten Schülern schlechte Noten verpassen und diese nur gegen Geschlechtsverkehr aufbessern. Wenn ich das hier niederschreibe wird mir wirklich schlecht. Vor allem ist das wirklich keine Seltenheit, wenn man ein Mädchen fragt, bekommt man IMMER als Antwort, dass sie es entweder selbst oder eine Freundin erlebt hat. Und auch hier ist man als Freiwillige oft machtlos, erstens weil niemand auf einen hört und zweitens weil es schlicht zu gefährlich ist. In Atakpamé ist eine Freiwillige des US Peace Corps drei Tage, nachdem sie der Schulleitung den Missbrauch eines Mädchens durch einen Lehrer gemeldet hat, tot aufgefunden worden.
Ich schätze, das klingt jetzt alles total übertrieben, nur leider ist es die nackte Wahrheit hier vor Ort. Aber diese Dinge treiben mich an, mich noch mehr anzustrengen, in meiner Zeit hier wirklich wahre Hilfe zu leisten.
Nachdem ich jetzt all das Negative losgeworden bin, möchte ich euch noch ein paar schöne Dinge berichten. Heute kam beispielsweise ein Junge, der in meiner Klasse ist und Teil des Clubs für die Menschenrechte auf mich zu und wollte wissen, wie er einem Freund helfen kann, dem das Recht auf den Schulbesuch von den Eltern verweigert wird. Bei solchen Dingen geht mein Herz auf, wenn ich sehe, dass wir schon etwas bewirken konnten und sich ein mancher schon aktiv für die Rechte anderer einsetzt. Genau so in der DeutschAG gestern, in der es von unheimlich motivierten Schülern wimmelt, einige wollten wissen, wie sie anfangen können für Amnesty zu arbeiten, allerdings hat Georges sie diesbezüglich gezähmt, da dies in Togo wirklich ein Risiko mit Lebensgefahr darstellt. Ganz toll war es heute auch, als das Eis zwischen meiner "Hauptklasse", der Premier, geschmolzen ist. Irgendwie waren sie immer sehr reserviert und haben mich meistens nur mit großen Augen angeguckt, wenn ich sie etwas gefragt habe, heute habe ich dann erklärt, dass ich wirklich hier bin um zu helfen und ein Freund bin, sie fördern will. Plötzlich war ein ganz anderes Klima und die Schüler waren so interessiert, dass wir neben Englisch und Deutsch sogar Spanisch(Herr Sotta, wenn Sie das lesen springen Sie hoffentlich im Dreieck) gemacht haben. Ein wahres Erfolgserlebnis!
Als ich dann noch heimgekommen bin und es FRISCHEN SALAT(die Bilder von dessen Lagerung auf dem Markt und die damit verbundene Gefahr von Krankheiten habe ich kurzzeitig ausgeblendet, da ich mich so über was Grünes gefreut habe), Couscous und als Nachtisch den Rest von den Crepes, die Lisa und ich gestern für meine Familie gemacht haben gab, konnte ich mein Glück kaum fassen.
Ihr seht, hier gibt es wirklich einiges zu tun, aber so ein kleiner Lichtblick am Tag lässt mich dann immer wieder fest dran glauben, dass ich in meiner Zeit hier "die Welt ein Stück besser machen kann" und ich weiß, warum ich hier bin.

2 Kommentare:

  1. Dear Daughter,thanks for posting this and I find it very important that you are using your blog to capture the issues you encounter down there. Carry on. I sympathise with your feelings and feel for you, that you are so handicapped and restricted in not being able to intervene given the speacial situation of your position as a VSO worker in a third world country. At the end of the day, you should konow that however small it might appear at the moment you are making a contribution and you are also reporting on successes that you are enabling by being down there. It will all take time. As somebody once said "a journey of a thousand miles begins with a single step". I am very prouud that you, my daughter, have been so bold to take that step. Don't get frustrated, keep up the good work and keep informing everyone else of your impressions and findings (good, indifferent or bad) via the blog. Love from Your Dad

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  2. Thank you so much for this comment, this is really encouraging. Miss you a lot, and btw check FB and emails. Love!

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