Leider geht hier im Moment mal wieder alles etwas drunter
und drüber, da das eben zum togolesischen Alltag dazugehört, werde ich mal über
meine Probleme berichten.
Nach wie vor ist es an der Schule, an der ich drei
Vormittage arbeite, mehr als schwierig. Die Lehrer tauchen nicht auf, die
Schüler wollen daher logischerweise nicht den zweiten fälligen Betrag des
Schulgeldes bezahlen. Gestern ist während meines Unterrichts der Direktor rein
und schickt jeden einzelnen meiner Schüler heim, damit sie Zuhause das Geld für
die Schule holen, vorher darf ich keinen Unterricht mehr machen. Meiner Meinung
haben die Schüler aber absolut recht mit ihrem Protest, warum die bezahlen
sollen, wenn seit mehreren Monaten kaum Lehrer auftauchen. Ausgerechnet gestern
ist dann gerade danach ein Lehrer zum ersten Mal seit Ewigkeiten an die Schule
gekommen – gerade dann, wenn gerade alle heimgeschickt wurden!! Ob der jemals
wiederkommt, ist fragwürdig.
Abgesehen davon wurde einem der Schüler, der sich getraut
hat, gegen den Direktor zu gehen und die Meinung zu sagen, nun im Prinzip Geld
gestohlen. Es fehlten noch 5000 CFA für den ersten Betrag der Schulgebühr, er
hat dem „surveillant“, der Mann, der die Abwesenheitsliste führt und für
Ordnung sorgt(nicht selten mit Schlagstock, aber den konnte ich erfolgreich und
bis jetzt inkognito entweden-juhu!) 10000 CFA gegeben, jetzt eine Quittung über
die lediglich 5000 fehlenden erhalten und der Direktor behauptet jetzt, nie
mehr Geld bekommen zu haben und hat gleichzeitig den Aufpasser fristlos
gekündigt und schon ersetzt, da er diesem unterstellt, jetzt mit den Schülern
unter einer Decke zu stecken. Dieser
Direktor ist wirklich einer der widerlichsten Menschen, die ich bis jetzt in
Togo getroffen habe, er lügt wie gedruckt. Beispielsweise arbeitet er seit
Jahren mit Georges zusammen und macht immer einen auf riesen Vertreter der
Menschenrechte, hat jetzt aber seine eigene Tochter aufgrund einer Beziehung zu
einem Jungen verprügelt. Klar, dass es ihm so gar nicht schmeckt, wenn die
Schüler, naja, einige wenige, eben mal
den Mund auf machen. Ich vergöttere sie dafür wirklich, es sind drei Stück, die
wirklich die richtige Denkweise haben, sie sagen, wenn nicht alle Angst hätten
und man als Gruppe arbeiten würde, könnte man was bewirken. Wie recht sie
haben.
Für mich auch wirklich tragisch ist, dass einer der Schüler,
von dem ich am meisten gehalten habe, illegaler weise Benzin und Marihuana aus
Ghana nach Togo eingeführt hat, dabei erwischt wurde und jetzt 7-10 Jahre im
Knast sitzen wird. Er hat mit dieser Aktion schlicht und ergreifend sein Leben
weggeworfen und wird in Togo keine Arbeit mehr finden – wenn er den Knast
übersteht. Hier wurde ich auch schon gefragt, ob ich eine Summe von 2000 Euro
zum Freikaufen geben könnte – was das für eine psychische Belastung ist, muss
ich euch glaube nicht erklären. Das Ganze kam jetzt noch im Fernsehen, dass
wirklich ganz Kpalimé Bescheid weiß.
Dann musste ich gestern wieder die Erfahrung machen, dass
Togo, wenn die Menschen hier ihre Denkweise nicht ändern, niemals aus der Armut
herauskommen kann. Ein Freund von mir, der (wie die meisten Menschen hier)
nicht viel Geld hat, wird bald eine größere Summe erhalten und meinte, er wird
sich dann direkt ein Moto kaufen. Es war das absolute Sinnbild der
togolesischen Mentalität: ein Denken bis maximal zum nächsten Tag, wenn man
Geld hat, wird alles auf einmal ausgegeben, kein Mensch denkt ans Sparen, falls
mal eines Tages eine größere Anschaffung oder eine Krankheit ansteht. Auch
fehlt den meisten Togolesen jegliches Gefühl für Berechnungen, ich habe ihm
dann beispielsweise vorgerechnet, dass es fünf Jahre dauern wird, bis er die
Summe für das Moto durch seine Arbeit wieder drin hat, da war er selbst sehr
erstaunt und ich konnte ihn so – Gott sei Dank! – zum Nachdenken bringen. Den
Leuten fehlt wirklich die Fähigkeit ein Langzeitdenken zu entwickeln. Daher frage
ich mich wirklich, wie dieses Land der Armut entkommen soll.
Meine größte Sorge ist und bleib jedoch meine geliebte
(Gast)schwester Irene. Für sie ist es zuhause jetzt noch schwieriger da ich nicht
da bin, wir treffen uns jedoch mehrmals die Woche, wo ich ihr zu Essen, Geld
und sonstige Dinge gebe die sie braucht. Das alles ist eine Sache, jetzt jedoch
kam etwas, womit Georges und ich wirklich was in der Hand haben, damit wir sie
aus dieser Familie rausholen können. Ich komme gerade (zum dritten Mal) vom
Krankenhaus mit ihr, da sie Malaria hat, und zwar schon ziemlich lange. Sie hat
der Gastmutter mehrfach über ihre Beschwerden berichtet, sie hat gebrochen,
Kopfweh, Müdigkeit, Fieber und sonst alle möglichen Schmerzen, daraufhin meinte
meine ehemalige Gastmutter nur, dass sei bestimmt Malaria, doch sie soll nicht
denken, dass sie ihr Geld fürs Krankenhaus oder Medikamente geben wird. Das ist
der wohl offensichtlichste Akt gegen Irenes Recht auf Gesundheit und
medizinische Behandlung, da wir jetzt schwarz auf weiß einen positiven
Malariatest haben, dürfte ihrem Umzug nichts mehr im Weg stehen, heute Abend
treffe ich mich mit Georges um das alles zu besprechen. Natürlich bin jetzt
diejenige, die die komplette Behandlung für sie bezahlt hat, aber als sie
gegenüber dem Arzt meinte, dass ich für sie noch mehr mache als eine Mutter und
ihr mehr bedeute, wusste ich, dass es jeder einzelne bis jetzt verbrauchte Cent
und alle die noch kommen zu hundert Prozent wert sind. Sie ist so ein
intelligentes Mädchen, trotz all dieser Schwierigkeiten bin ich sicher, dass
sie die Examen bestehen wird und dann kann für ein Mädchen wie ihr einer
besseren Zukunft nichts mehr im Wege stehen.
Ja, ich denke ihr merkt selbst, dass sich hier im Moment die
Sorgen ziemlich anhäufen, da man diese dauerhafte psychische Belastung hat
reichen oft auch kleine Probleme, damit die Welt mal ganz grau aussieht. Aber
glücklicherweise wohne ich ja jetzt mit Lisa zusammen, das gibt uns beiden
wirklich Kraft. Und bitte denkt jetzt nicht, ich bin todunglücklich –
keineswegs! Ich kriege schon wieder die Krise, weil meine Zeit, die mir hier
verbleibt, schon wieder drei Monate unterschritten hat. Trotz all der Probleme
bewahre ich meinen Frohsinn, meine Hoffnung und meine positive Ansicht. Ca va
aller! :-)